Essen. Thyssenkrupp will weitere Arbeitsplätze in der Stahlsparte abbauen – über die bereits bekannten 3000 Stellen hinaus. Zugleich wird investiert.

Thyssenkrupp strebt weitere Kostensenkungen und Stellenabbau in der Stahlsparte an. „Die Pandemie hat unsere Finanzlage nochmals dramatisch verschärft“, sagte Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg. „Es braucht jetzt einen gemeinsamen Kraftakt mit Belegschaft und Mitbestimmung, um die durch Corona verursachte finanzielle Lücke über die nächsten Jahre zu schließen und die Folgen der Pandemie zu begrenzen“, betonte der Manager. Bislang hatte der Konzern angekündigt, 3000 Arbeitsplätze in der Stahlsparte abzubauen. Insbesondere Standorte in NRW sind davon betroffen.

Vor wenigen Tagen hatte Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz bei der Hauptversammlung bekräftigt, der Vorstand wolle im März über die Zukunft der Stahlsparte mit rund 27.000 Beschäftigten entscheiden. Der britisch-indische Stahlunternehmer Sanjeev Gupta steht bereit, das traditionsreiche Thyssenkrupp-Geschäft mit seinem Konzern Liberty Steel komplett zu übernehmen. Alternativ prüft Vorstandschefin Merz, ob auch eine Abspaltung möglich ist. Voraussetzung wäre, dass die Stahlsparte stark genug ist, um eigenständig an der Börse zu bestehen.

Thyssenkrupp-Finanzchef Klaus Keysberg sagte am Mittwoch (10. Februar) in einer Telefonkonferenz, es gebe zwei Optionen, die der Vorstand „momentan auf dem Tisch liegen“ habe: einerseits eine Veräußerung an Liberty, andererseits eine Entwicklung des Stahlgeschäfts aus eigener Kraft. In der Vergangenheit hatte der Ruhrgebietskonzern auch Gespräche mit dem indischen Konzern Tata und dem schwedischen Stahlhersteller SSAB geführt – ohne Ergebnis.

Betriebsrat fordert „lückenlose Transparenz“ über Pläne des Thyssenkrupp-Vorstands

„Seit Monaten fragen wir uns, wohin die Reise für den Stahl geht“, kommentierte Tekin Nasikkol, der Gesamtbetriebsratschef von Thyssenkrupp Steel, die aktuelle Entwicklung. „Frau Merz hat für März eine Entscheidung über die Zukunft des Stahlbereichs angekündigt. Vor diesem Hintergrund schafft die Ankündigung weiterer Restrukturierungen noch mehr Unsicherheiten.“ Mit Blick auf die Forderung des Managements nach weiterem Stellenabbau sagte Nasikkol: „Wir erwarten zunächst lückenlose Transparenz über die weiteren Pläne des Vorstands.“

Thyssenkrupp-Stahlchef Osburg kündigte am Mittwoch auch erhebliche Investitionen in Duisburg und Bochum an. „Aber investieren ist nicht alles“, sagte er. „Es muss allen Beteiligten klar sein, dass wir daher auch über weitere Personal- und Kostenmaßnahmen sprechen müssen, wenn wir nicht bisher Erreichtes und Vereinbartes gefährden wollen.“

Nach nun erfolgter Freigabe von Investitionsmitteln durch den Mutterkonzern in Essen stehen Unternehmensangaben zufolge die ersten Auftragsvergaben für Investitionen in die Stahlwerke an. So sei unter anderem der Umbau der Duisburger Gießwalzanlage geplant. Den Standort Bochum wolle Thyssenkrupp als „Kompetenzzentrum“ in Sachen Stahl für die Elektromobilität stärken.

Erhebliche Investitionen in Duisburg und Bochum geplant

Die gesamte Investitionssumme erreiche einen hohen dreistelligen Millionenbetrag, erklärte Thyssenkrupp Steel in Duisburg. Thyssenkrupp-Finanzvorstand Keysberg sprach von mehr als 700 Millionen Euro. Alle Projekte sollen Unternehmensangaben zufolge bis Ende 2024 realisiert werden. Es handle sich um das größte Investitionspaket für die Stahlsparte seit dem Bau der Duisburger Kokerei Schwelgern im Jahr 2003. Basis für die Investitionen sei der mit der Arbeitnehmerseite im Frühjahr 2020 geschlossene Tarifvertrag „Zukunftspaket Stahl“. Die Investitionen seien „ein starkes Signal für den Stahl und ein großer Vertrauensbeweis in schwierigen Zeiten“, sagte Osburg. „Wir können mit den geplanten Investitionen unsere Position in zentralen Zukunftsmärkten ausbauen und unser Geschäft damit zukunftsfähig aufstellen.“

Vorstandschefin Merz: „Wir spüren aktuell Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung“

Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz sieht Fortschritte bei der Sanierung des Konzerns und hebt die Ergebnisprognose für das laufende Geschäftsjahr an. „Wir spüren aktuell Anzeichen einer wirtschaftlichen

Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz: „Wir haben schwarze Zahlen geschrieben, noch sind wir aber nicht über den Berg.“
Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz: „Wir haben schwarze Zahlen geschrieben, noch sind wir aber nicht über den Berg.“ © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Erholung, und unsere Maßnahmen zur Performance-Steigerung in den Geschäften tragen erste Früchte“, sagte Merz bei der Veröffentlichung der aktuellen Quartalszahlen des Essener Stahl- und Industriegüterkonzerns, der weltweit mehr als 103.000 Mitarbeiter beschäftigt.

„Wir haben schwarze Zahlen geschrieben, noch sind wir aber nicht über den Berg“, betonte Merz. Nötig seien „weitere Kraftanstrengungen“, um aus Thyssenkrupp langfristig ein leistungsfähiges Unternehmen zu formen. „Deshalb machen wir beim Umbau weiter Tempo.“

Thyssenkrupp-Vorstand hebt Ergebnisprognose an

Angesichts der Geschäftsentwicklung im ersten Quartal (Oktober bis Dezember vergangenen Jahres) hob Vorstandschefin Merz ihre Ergebnisprognose an. Demnach erwartet Thyssenkrupp nun für das Geschäftsjahr 2020/2021 beim Betriebsergebnis („bereinigtes Ebit“) eine „Entwicklung hin zu einem nahezu ausgeglichenen Ergebnis“. Bislang hatte das Management einen „Verlust im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich“ angekündigt.

Der Umsatz soll der neuen Prognose zufolge „im hohen einstelligen Prozentbereich wachsen, jedoch noch deutlich unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie bleiben“. Die bisherige Prognose des Thyssenkrupp-Vorstands hatte ein „Wachstum im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich“ vorgesehen.

Trotz deutlicher Verbesserungen im laufenden Geschäft erwartet der Thyssenkrupp-Vorstand unter dem Strich allerdings noch „einen Jahresfehlbetrag im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich“, wie das Unternehmen am Mittwochmorgen (10. Februar) mitteilte. Bislang war von einem Nettoverlust über einer Milliarde Euro die Rede gewesen. Negativ zu Buche schlagen unter anderem Aufwendungen für die Sanierung und den Personalabbau „im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich“.

„Gut gestartet“ in das neue Geschäftsjahr

In das neue Geschäftsjahr sei Thyssenkrupp „gut gestartet“, erklärte der Vorstand. Im ersten Quartal 2020/2021 habe das Unternehmen Auftragseingänge in Höhe von 7,8 Milliarden Euro verbucht – sechs Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Der Umsatz von Oktober bis Dezember sei im Verglich zum Vorjahr leicht von 7,6 Milliarden auf 7,3 Milliarden Euro gesunken. „In einem weiterhin unsicheren Marktumfeld hatten wir ein gutes erstes Quartal“, urteilte Konzernchefin Merz.

Steigende Erlöse verzeichnete Thyssenkrupp unter anderem in der Stahlsparte sowie beim Autozuliefergeschäft. Das Betriebsergebnis („bereinigtes Ebit“) lag Konzernangaben zufolge bei 78 Millionen Euro – und damit deutlich über dem Verlust von 185 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.

Erholung in der Stahlsparte von Thyssenkrupp

In der Stahlsparte, die stark unter den Folgen der Corona-Krise gelitten hatte, verzeichnete Thyssenkrupp eine Erholung. Auftragseingang und Umsatz seien um 17 beziehungsweise sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen, teilte das Unternehmen mit. Nach einem „pandemiebedingt beispiellosen Nachfrageeinbruch“ im Frühjahr und Sommer vergangenen Jahres ziehe das Geschäft inzwischen wieder an. Positiv bemerkbar machten sich unter anderem „Nachholeffekte insbesondere bei den Automobilkunden sowie eine gute Nachfrage in der Hausgeräte- und der Bauindustrie“. Das Betriebsergebnis erhöhte sich deutlich auf 20 Millionen Euro – nach minus 127 Millionen Euro im Vorjahresquartal.