Essen. Angesichts von Plänen für den Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen bei Thyssenkrupp zeigt sich Ruhrbischof Overbeck tief besorgt um den Konzern.
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck zeigt sich tief besorgt um Thyssenkrupp angesichts der Ankündigung der Konzernführung, 11.000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Die derzeitige extrem schwierige Lage von Thyssenkrupp sei ganz wesentlich auch auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, erklärte Overbeck. „Ich appelliere deshalb an die Konzernleitung, die Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie an die Regierungen des Landes NRW und des Bundes, nach abgestimmten Lösungen zu suchen, die sich langfristig als tragfähig erweisen können“, sagte der Bischof. „In einer solchen außerordentlichen Krise sind außergewöhnliche Antworten nötig, die man in normalen Zeiten so nicht in Erwägung ziehen würde.“
Thyssenkrupp versuche in schwierigen Zeiten, das Unternehmen und insbesondere auch die Stahlsparte neu aufzustellen und zukunftsfähig zu machen, so Overbeck. „Die Ankündigung, statt der bereits zuvor genannten 6000 nunmehr 11.000 Arbeitsplätze abbauen zu müssen, bedrückt mich sehr und erzeugt bei vielen der Beschäftigten des Unternehmens und deren Familien große Verunsicherungen und Sorgen“, hieß es in einer Erklärung von Overbeck. „Deshalb verstehe ich sehr gut, dass die Menschen nun tief enttäuscht sind von der Bekanntgabe des weiteren Stellenabbaus.“
Overbeck appelliert: betriebsbedingte Kündigungen vermeiden
Ziel aller Bemühungen müsse sein, „den zu Beginn des Jahres so hoffnungsvoll angetretenen Weg der Zukunftsgestaltung nicht an den Folgen der Pandemie scheitern zu lassen. Insbesondere muss alles Menschenmögliche getan werden, dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommt, sollte ein weiterer Stellenabbau tatsächlich unvermeidlich sein“, forderte Overbeck. „Die Zukunft von Thyssenkrupp sind die Menschen, die für den Konzern arbeiten. Sie müssen auf dem Weg der Veränderung mitgenommen und an den damit verbundenen Entscheidungen beteiligt werden, wenn der Umbau gelingen soll.“
Thyssenkrupp reagiert mit dem größten Sparprogramm seiner Firmengeschichte auf immense Verluste im abgelaufenen Geschäftsjahr. Statt der bisher geplanten 6000 Stellen sollen insgesamt 11.000 Arbeitsplätze gestrichen werden, wie der Essener Traditionskonzern bei der Bilanzpressekonferenz mitteilte. Angesichts der schwierigen Lage zeigte sich Vorstandschefin Martina Merz entschlossen, auch harte Entscheidungen zu treffen, um die Kosten im Konzern zu senken. „Wir werden alles hinterfragen – auch bei den Kosten darf es keine Denkverbote mehr geben“, sagte die Managerin, die das Unternehmen seit etwas mehr als einem Jahr als Vorstandschefin führt.
„Größter Restrukturierungsprozess seit Bestehen von Thyssenkrupp“
Im Mai 2019 hatte der Thyssenkrupp-Vorstand bereits einen Abbau von 6000 Jobs angekündigt, davon sei der Wegfall von 3600 Stellen „realisiert“, so Personalvorstand Oliver Burkhard. Zusätzlich will der Thyssenkrupp nun 7400 Arbeitsplätze in den kommenden drei Jahren abbauen – insgesamt also 11.000 Stellen. „Wir befinden uns mitten im größten Restrukturierungsprozess seit Bestehen von Thyssenkrupp“, sagte Burkhard.
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Die IG Metall kritisierte die Pläne der Konzernleitung. „Die jetzt bekannt gegebenen Pläne für weiteren Stellenabbau sind nicht mit der Arbeitnehmerseite vereinbart“, sagte IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner, der auch Vize-Aufsichtsratschef ist. Von den 11.000 Arbeitsplätzen, die der Konzern abbauen will, entfallen 7000 auf Deutschland, so Burkhard, 4000 auf Standorte außerhalb der Bundesrepublik. Etwa jede zweite der Stellen, die in Deutschland wegfallen sollen, befinde sich in NRW.
Bundesarbeitsminister Heil spricht von „Kahlschlag“
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, er hoffe, „dass so viele Arbeitsplätze wie möglich erhalten bleiben“. Die Art und Weise, wie Thyssenkrupp den Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen kommuniziert habe, kritisierte er scharf: „Einen Kahlschlag zu verkünden, ohne vorher mit den Sozialpartnern zu reden – das geht gar nicht.“
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Im Zusammenhang mit möglicher staatlicher Hilfe für den Konzern unterstricht NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) seine ablehnende Haltung zu einer möglichen Landesbeteiligung. „Die von manchen ins Gespräch gebrachte Möglichkeit einer Staatsbeteiligung sehen wir nur über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen“, sagte Pinkwart. „Um die nötigen Milliardeninvestitionen zum Umbau der Branche zu mobilisieren, stehen Instrumente der Innovationsförderung zur Verfügung.“
Die Bilanz von Thyssenkrupp mitten in der Corona-Krise fiel düster aus. Bei den sogenannten fortgeführten Aktivitäten, also ohne die lukrative Aufzugsparte, die das Unternehmen für mehr als 17 Milliarden Euro verkauft hat, verzeichnet das Unternehmen einen Fehlbetrag von 5,5 Milliarden Euro. Auch für das gerade angelaufene Geschäftsjahr erwartet Thyssenkrupp erneut rote Zahlen.