Lippstadt. Beim Autozulieferer Hella wird die Zahl der Jobs in Deutschland im Vergleich zu den Standorten weltweit stark abnehmen, kündigt der Konzern an.
Der Standort Deutschland nimmt in der Automobilbranche an Bedeutung immer mehr ab. Der Licht- und Elektronikkonzern Hella mit Sitz im westfälischen Lippstadt beschäftigt weltweit noch rund 36.000 Menschen. Im Bereich Forschung und Entwicklung (F+E) zwei Drittel davon an deutschen Standorten. Das dürfte absehbar Geschichte sein. „Noch sind ein Großteil der Verwaltung und Forschung und Entwicklung am Standort Deutschland. Das wird sich ändern“, kündigte Hella-Chef Rolf Breidenbach am Freitag auf der Aktionärsversammlung an.
Das Verhältnis von deutschen zu ausländischen Arbeitsplätzen im Bereich F+E werde langfristig „mindestens 50:50 sein, wenn es nicht sogar eine Umkehrung gibt“, sagte Breidenbach. Durch Verkäufe aber auch Abbau von rund 5400 Arbeitsplätzen überwiegend im Ausland in der jüngeren Vergangenheit, hat sich die Beschäftigtenzahl insgesamt bereits deutlich unter die Schwelle von 40.000 bewegt. „Keine Zahl auf die wir stolz sein können“, betont Breidenbach.
Mehr Hella-Mitarbeiter in China
Im Ländervergleich werde Deutschland weiter die meisten Beschäftigten haben, prognostizierte Breidenbach. Aktuell zählt der Konzern im bereits heute wichtigsten Markt China 4000 Mitarbeiter. In Zukunft dürften es zwischen 25 und 40 Prozent aller Beschäftigten werden.
Die Perspektiven auf einen Job in einem deutschen Werk des Traditionsunternehmens sinken. Geschuldet sei dies einer weltweiten Veränderung in der Branche, die auch bei anderen großen Zulieferern und Automobilherstellern immer stärker sichtbar wird und durch die Umsatzeinbrüche in der Coronakrise in diesem Jahr noch einmal beschleunigt wurde.
Softwareentwicklung am Standort Berlin
Hella investiert rund 10 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Dies entsprach zuletzt rund 600 Millionen Euro. An dieser Strategie werde festgehalten. Allerdings wird es mehr Jobs an Auslandsstandorten geben.
In Deutschland ist das Zukunftsthema Softwareentwicklung angesiedelt. Hier arbeiten rund 2000 Softwareingenieure für Hella. Gerade wurde der Standort Berlin mit dem neuen Softwarehaus gestärkt.
Dass am Freitag die deutliche Mehrheit der Aktionäre dem Verzicht auf Ausschüttung einer Dividende des im M-Dax notierten Unternehmens zustimmten, war zu erwarten.
Gemessen an den Einschnitten für die Beschäftigten, dürfte dies zu verschmerzen sein. Zumal Hella nach Nettoverlusten im abgelaufenen Geschäftsjahr besser als erwartet ins neue gestartet ist, das am 1. Juli begann. „Der Ausblick auf die kommenden Monate stimmt uns verhältnismäßig positiv. Die Anzeichen für eine gewisse Markterholung im Laufe des aktuellen Geschäftsjahreshaben sich zuletzt weiter verdichtet“, hatte Rolf Breidenbach bereits im Vorfeld der Aktionärsversammlung, die erstmals virtuell stattfand, mitgeteilt.
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Der Vorstand um Breidenbach schürt wie meistens keine zu hohen Erwartungen und ist skeptisch, ob der Prognosen von Wirtschaftsinstituten, die eine deutliche Erholung am Markt und bereits wieder satte Produktionssteigerungen im laufenden Geschäftsjahr von mehr als sechs Prozent sehen. Für Breidenbach hängt dies zum einen mit den Unwägbarkeiten des weiteren Verlaufs der Pandemie zusammen, die Hella bislang „besser als der Markt und mit nur wenigen Infizierten unter der Belegschaft“ (Breidenbach) verkraftet habe. Zum anderen verändert sich in der Automobilwelt gerade zu vieles, um in irgendeiner Form sicher sein zu können. „Die gesamte Brachen durchläuft gerade ihren größten Wandel seit der Erfindung des Automobils“, erinnert Breidenbach.
Der Kostendruck steige weiter
Damals spielte die Musik in Deutschland, heute ist das Geschäft global. Das größte Interesse gilt dem Massenmarkt China und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
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Der Kostendruck werde weiter steigen, begründet der Hella-Chef die Veränderungen beim Personal und den vermehrten Einsatz von Robotertechnik in den Produktionen und dem Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz im gesamten Konzern. Druck, der bereits in Zahlen an den deutschen Standorten ablesbar ist.
Bereits 2019 hatte der Konzern angekündigt, am Stammsitz in Lippstadt 200 von 1350 Jobs in der Produktion im Lichtwerk abzubauen. Ende Juli 2020 wurden dann weitere Einschnitte bekanntgegeben. 900 Stellen am Standort Lippstadt in der Verwaltung und der Forschung und Entwicklung und weiter 400 Jobs an den anderen deutschen Standorten werden bis 2023 abgebaut.