Lippstadt. Die Automobilbranche steht unter Hochdruck. Nachfrageeinbrüche weltweit treffen nun den Standort Deutschland. Made in Germany zählt nicht mehr.
Der Automobilzulieferer Hella, einer der weltweit führenden Anbieter für Lichttechnik und Elektronik, baut am Stammsitz Lippstadt dauerhaft 200 von 1350 Arbeitsplätzen in der Scheinwerferproduktion ab. „Made in Germany zählt immer weniger“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Dr. Rolf Breidenbach am Donnerstag mit Blick auf die Kundenanforderungen und den Wettbewerb um lukrative Aufträge in einem stagnierenden bis rückläufigen Markt.
Markt in China bricht ein
Die Nachfrageeinbrüche in China beziffert Breidenbach mit bis zu 20 Prozent, auch den NAFTA-Raum (USA, Kanada, Mexiko) und Europa bezeichnet Breidenbach aktuell als „schwach“. Es sei schwer einzuschätzen, wie sich die Konjunktur entwickele. Die aktuelle Marktschwäche sei bereits in die Prognosen eingepreist. Der Abbau von 200 der weltweit aktuell rund 38.000 Jobs bei Hella „beeinflusst die Geschäftsentwicklung von Hella nicht signifikant“, versichert Rolf Breidenbach – eine ad hoc Meldung des börsennotierten Unternehmens sei daher auch nicht notwendig.
„Wir sind der letzte in der Branche, der noch eine Scheinwerfer-Produktion in Deutschland anbietet.“
Der Traditionsstandort Lippstadt stehe bei den Kosten vor allem im Wettbewerb mit Produktionen in osteuropäischen Ländern – auch aus dem eigenen Haus. Die Herstellung von Scheinwerfern und Heckleuchten lässt sich nur bedingt automatisieren, sie ist nach wie vor sehr arbeitsintensiv. Die 200 Jobs fallen im Bereich Montage und Logistik im Werk II weg. Voraussichtlich im Mai 2020 läuft ein großer Auftrag eines Premiumherstellers am Standort aus.
Immerhin: Hella hat den Premiumkunden nicht an Konkurrenz aus Korea oder China verloren, sondern wird für ihn künftig in einem der eigenen Werke in Osteuropa produzieren. Ob dies in der Slowakei, Tschechien oder Slowenien sein wird, ließ Breidenbach offen.
Topauftrag für Lippstadt
Der personelle Einschnitt sei aus seiner Sicht „schwierig, natürlich vor allem für die Betroffenen“. Am Mittag wurden das Topmanagement und der Betriebsrat sowie die Beschäftigten in der Lichtproduktion im Werk II in Lippstadt über die Planung informiert. Die Hella-Geschäftsführung will nun rasch über sozialverträgliche Lösungen verhandeln, wird neben Abfindungen auch einen Wechsel in das Elektronikleitwerk am Standort Hamm anbieten, das gerade expandiert.
Dass der Einschnitt die Keimzelle des 120 Jahre alten Konzerns betrifft, dürfte auch aus Sicht der Mehrheits-Gesellschafter, der Familie Hueck, bitter sein.
Hella weltweit
Die Hella GmbH&Co. KGaA ist seit 2014 an der Börse notiert und erzielte im vergangenen Geschäftsjahr gut 7 Milliarden Euro Umsatz.
Seit dem Verkauf des Großhandelsgeschäftes im vergangenen Jahr zählt der Konzern weltweit rund 38.000 Beschäftigte (vorher 40.000). Rund 9900 sind in Deutschland beschäftigt, allein 5250 am Stammsitz in Lippstadt, wo das Unternehmen 1899 gegründet wurde.
Hella ist Technologieführer in der Scheinwerferentwicklung und für autonomes Fahren wichtigen Segmenten der Automobilelektronik wie Radar- Sensortechnik sowie u.a. für Batteriemanagementsystemen.
Hella verfügt über Lichtwerke weltweit, nicht nur in Osteuropa, sondern auch topmoderne in Mexiko und China, wo erst Ende 2017 ein Werk eingeweiht wurde.
Er bedeutet allerdings nicht das Aus der Lichtproduktion im Westfälischen. Durch Prozessverbesserungen im Werk sei in den vergangenen Monaten eine deutliche Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erreicht worden. Zudem konnte Hella in den vergangenen Tagen einen Auftrag eines Automobilherstellers für die Produktion von Highend-LED-Scheinwerfern gewinnen. „Es ist das Neueste vom Neuen, eine Durchbruchtechnologie in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Kosten. In der Produktion sehr anspruchsvoll. Wir trauen es dem Werk II zu“, betont der Hella-Chef. Zudem sei es gute Tradition, die neusten Produkte im Werk II anlaufen zu lassen.
Die Frage bleibt, wie lange noch? Den erwähnten Spitzenauftrag hätte Hella auch in eines der anderen Lichtwerke vergeben können. Egal, ob Osteuropa, Asien oder Amerika, die eigenen Werke sind keine Hinterhofgaragen oder Wellblechhütten, sondern im Zweifel jünger und mindestens ebenso modern wie das Traditionswerk.