Essen. Das Ruhrgebiet erwartet viele Radtouristen im Sommer. Die hohen Einbußen durch fehlende Geschäftsreisende können Hotels aber nicht kompensieren.
22 Jahre sind es nun, die Willi Ingendorn das Hotel „Rheinischer Hof“ in Essen-Rüttenscheid führt. Eine Situation wie diese hat er noch nicht erlebt, sagt der 70-Jährige. Schließung für Touristen, Umsatzeinbrüche, Mitarbeiter in Kurzarbeit, nur ein einziger Dauergast im April. Seit einem Monat dürfen die Hotels in NRW wieder für Touristen öffnen. Geht es für die Branche nun wieder bergauf?
Nicht wirklich, wenn man Ingendorn fragt. Im Mai erzielte er nur 20 Prozent seines gewohnten Umsatzes. Im Juni, so schätzt er, dürften es etwa 30 Prozent werden. Für den Hotelier ist das genug, um sich über Wasser zu halten. Aber nur, weil er staatliche Hilfen erhält und – noch wichtiger – weil ihm sein Vermieter entgegenkommt.
Dehoga-Präsident: „Die Situation gleicht einem Flächenbrand“
„Die Lage der Hotellerie ist immer noch prekär“, sagt Bernd Niemeier, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) NRW. Dabei mache es keinen Unterschied, ob es sich um ein kleines Hotel oder große Hotelkette handele. „Die Situation gleicht einem Flächenbrand“, so Niemeier. Das größte Problem: „Weil Messen, Tagungen und Seminare ausfallen, ist der Geschäftsreiseverkehr fast vollständig zum Erliegen gekommen.“ Noch dazu verursachten die hohen Auflagen zusätzliche Kosten. So muss das Hotelpersonal zum Beispiel im direkten Kontakt mit Kunden Mundschutz tragen und in jedem Zimmer soll Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen.
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Was es bedeutet, wenn ein ganzer Kundenstamm plötzlich wegbricht, weiß Johannes Riepe, Chef des „Ringhotel Drees“ in Dortmund. Sein Betrieb liegt in direkter Nähe zu den Westfalenhallen und dem Signal-Iduna-Park. Geschäftsreisende, Messegäste und Fußballfans machen normalerweise den Großteil der Gäste aus. Nun hat Riepe Umsatzeinbußen von bis zu 90 Prozent und alle seine Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Er hofft auf neue Lockerungen, damit „Veranstaltungen mit weniger Teilnehmern zumindest etwas mehr Gäste bringen“. Denn ganz klar sei: „Dortmund ist keine Urlaubsstadt.“
Ruhr Tourismus spricht von vermehrten Buchungsanfragen entlang der Fernradwege
Dabei ist genau das die verbleibende Hoffnung der Hotellerie: Weil verschiedene Umfragen zeigten, dass viele Deutsche in diesem Jahr nicht ins Ausland reisen möchten, wächst die Hoffnung auf einen Tourismus-Boom im eigenen Land. Dehoga-Präsident Niemeier sieht für den privattouristischen Bereich in NRW durchaus noch Potenzial. Im Ruhrgebiet ist es der Radtourismus, auf den viele bauen. „Es gibt die Chance, dass Radfahrer zum Beispiel vom Sauerland aus den Ruhrtalradweg nutzen und so auf einer Tour Städtisches und Ländliches verbinden“, so Niemeier.
NRW schärft in der Krise sein Profil als UrlaubslandIn der Tat spricht die Ruhr Tourismus GmbH bereits von vermehrten Buchungsanfragen entlang der Fernradwege im Ruhrgebiet. Konkrete Zahlen lägen dazu jedoch noch nicht vor. „Das Ruhrgebiet ist keine klassische Urlaubsdestination, könnte aber davon profitieren, dass viele Reiseziele schon überbucht sind“, so ein Sprecher. Fraglich bleibt aber, ob die anderweitigen Einbußen so kompensiert werden können. Dehoga-Chef Niemeier ist skeptisch: „Das Ruhrgebiet lebt in hohem Maße von Geschäftsreisenden.“
„Bed and Bike“-Hotel: Keine „Buchungswelle“ in Sicht
Das bestätigt Georg Storek, Betriebsleiter des „Art-Hotel Tucholsky“ in Bochum. Das Hotel ist vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) als „Bed and Bike“-Hotel zertifiziert. „Wir gehen davon aus, dass in diesen Sommerferien vermehrt Buchungen von Radtouristen kommen werden“, sagt Storek zwar. Eine regelrechte „Buchungswelle“ erlebe man jedoch nicht. Da Radtouristen meist spontan buchten, gebe es zudem keine Planungssicherheit. Und: „Für Geschäftsreisende können ganz andere Raten verlangt werden könnten als für Individualtouristen“. Außerdem gibt Storek zu bedenken: „Radfahrer auf Rundreise bleiben meist eher eine Nacht als eine Woche.“
Auch Thomas Kralik, der die beiden Jugendherbergen in Duisburg leitet, berichtet von hohen Einbußen. „Wir sind zwar froh, dass die Jugendherberge Duisburg-Sportpark wieder öffnen kann, haben aber nur 20 Prozent des normalen Aufkommens“, sagt er. Ein Problem sei, dass Mehrbettzimmer in vielen Fällen noch nicht wieder voll belegt werden könnten. Und: Die Schulfahrten fehlen. „Wenn das Haus voll ist, haben wir hier normalerweise sieben Schulklassen“, so Kralik. „Das fängt man nicht mit Familien oder Radfahrern auf.“
Neue Überbrückungshilfen für Hotels im Konjunkturpaket vorgesehen
Die Hoteliers sind sich einig: Eine rasche Rückkehr zur Normalität ist nicht in Sicht. Die Hoffnungen liegen auf steigenden Umsätzen mit zunehmenden Lockerungen. Johannes Riepe macht sich jedoch keine Illusionen: „Dass wir dieses Jahr noch einmal voll werden, ist sehr unwahrscheinlich.“ Ein Betrieb wie vor der Krise sei wahrscheinlich erst möglich, wenn ein Impfstoff zur Verfügung stehe. Was bleibt: Die staatlichen Hilfen.
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In der ersten Phase der Corona-Krise konnten Hotelbetriebe mit Umsatzeinbrüchen bereits – je nach Zahl ihrer Angestellten – 9.000, 15.000 oder 25.000 Euro Corona-Soforthilfe für drei Monate beantragen. Im Konjunkturpaket der Bundesregierung sind weitere Überbrückungshilfen für die Monate Juni bis August vorgesehen: Branchen wie dem Hotelgewerbe können bei hohen Einbußen, abhängig von ihrer Beschäftigtenzahl, fixe Betriebskosten bis zu einem Betrag von 150.000 erstattet werden.
Viele Hotels können Mitarbeiter nicht aus der Kurzarbeit zurückholen
Vielen Hotels hilft das, um über die Runden zu kommen. Zum Normalbetrieb zurückkehren und die Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückholen können sie aber nicht. Willi Ingendorn etwa ist häufig zur Frühstückszeit allein im Hotel. Die Rezeption kann er nicht mehr 24 Stunden besetzen, stattdessen arbeitet er mit einem Schlüsselsafe. Er mache sich Sorgen um seine Mitarbeiter, sagt der 70-Jährige. Ähnlich sieht das Thomas Kralik: „Kurzarbeit ist für die Betriebe eine Hilfe, für die Mitarbeiter ist sie mitunter ein Desaster.“