Ruhrgebiet. Radrouten und Wanderwege: Der Ruhr-Tourismus versucht, das Beste aus der Corona-Krise zu machen. Deren Folgen lassen sich erstmals beziffern.
Corona hat den Tourismus zu einer Vollbremsung gezwungen, keine Branche hat das Virus härter getroffen. Nun gibt es erstmals Zahlen, wie schwer der wirtschaftliche Schaden für das Ruhrgebiet wiegt – und zugleich keimt erstmals die Hoffnung auf positive Nebeneffekte der Krise. Doch zunächst die bitteren Zahlen.
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Etwa 1,1 Milliarden Euro werden der Revier-Wirtschaft in den drei Monaten März bis Mai entgehen durch ausbleibende Touristen, hat das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr (dwif) für Ruhr Tourismus errechnet. Und dies sind nur die Ausgaben, die die Gäste tätigen. Die indirekten wirtschaftlichen Effekte sind nicht enthalten. Fast vier Fünftel der Umsatzeinbußen betreffen die Tagestouristen, der Rest die Übernachtungsgäste. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2019 setzte die Branche im Ruhrgebiet 6,5 Milliarden Euro um, wobei das vierte Quartal das stärkste war. 120.000 Jobs hängen vom Tourismus ab.
Die Lage ist dramatisch: In ganz Essen sind nur noch zwei Hotels geöffnet. Nur einzelne Geschäftskunden, Arbeiter, IT-Spezialisten reisen noch. Rund 300.000 Übernachtungsgäste sind ausgeblieben, sagt Richard Röhrhoff, Geschäftsführer der Essen Marketing GmbH. Und das Drei- bis Vierfache an Tagestouristen. Seit März, erklärt er, sprechen wir von einem „Totalausfall“.
Werden Messen stattfinden können?
Doch nun soll die Branche wieder hochfahren. Ab dem 18. Mai dürfen Hotels unter Auflagen öffnen, ab dem 30. Mai sind Führungen sowie kleine Gruppen- und Busreisen wieder möglich, hat NRW-Wirtschaftsminister Andres Pinkwart (FDP) am Donnerstag verkündet. Doch was kann das bringen, wenn Abstand die Auslastung drastisch verringert? Wenn Firmen auf Videokonferenzen setzen statt auf Reisen; wenn die Freude fehlt an Freizeit mit Maske. „Wir wissen nicht, ob im zweiten Halbjahr überhaupt Messen stattfinden“, sagt Röhrhoff. Er sei „sehr pessimistisch“: „Der erste Veranstalter, der absagt, wird eine Welle auslösen.“
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Dennoch: „Was den Betreibern gefehlt hat, war eine Perspektive. Das war für sie unerträglich“, sagt Röhrhoff. Die neue Perspektive ist natürlich äußerst vage. Aber die Touristiker versuchen, ihr Gutes abzuringen: In normalen Jahren unternehmen die Deutschen 130 Millionen Urlaubsreisen, 60 Millionen davon ins Ausland. Dieses Jahr werden sie sich zwangsläufig ins Inland richten, glaubt Ruhr-Tourismus-Chef Axel Biermann. Doch die Strandbäder etwa können wegen des Abstandsgebots nicht so viele Besucher aufnehmen wie sonst. Eine Chance also für das Revier!
Sieben neue Radrouten
Besonders um Radtouristen will die Region werben mit sieben neuen Entdeckerrouten. Und damit die beliebten Strecken wie der Ruhrtalradweg und die Römer-Lippe-Route nicht überlaufen, finden Radler über die digitalen Kanäle abschnittsweise Ausweichmöglichkeiten. 170 fahrradfreundliche Hotels sollen Übernachtungsgäste locken. Auch das Radeln auf den weitgehend kreuzungsfreien Bahntrassen soll als Alleinstellungsmerkmal herausgehoben werden.
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„Ungewöhnliche Wanderangebote“ stehen ebenfalls im Fokus: vor allem das „Halden-Hopping“ – auf der Halde Haniel in Bottrop in Kombination mit dem Radfahren in der Kirchhellener Heide. Der Kettwiger Panoramasteig in Essen soll im Juni fertig ausgeschildert sein und eine Alternative zum beliebten Baldeneysteig bieten. Von Xanten nach Olfen führt der Hohe-Mark-Steig, ein eher klassisches Angebot.
All dies, das ist allen klar, kann nur ein bescheidener Ausgleich sein. Die Essener Hoteliers etwa lebten bislang zu 70 bis 80 Prozent vom Geschäftstourismus. Aber könnte das Revier nicht sogar langfristig profitieren von den Entdeckern, die im Corona-Jahr erstmals vorbeischauen? Man hofft.