Düsseldorf. Selten stand Urlaub in der Heimat so hoch im Kurs wie im Krisenjahr 2020. NRW will vom Trend profitieren.

Nach dem dramatischen Absturz der heimischen Tourismusbranche durch die Coronakrise feilt NRW an seinem Ruf als Urlaubsland und will in diesem Sommer möglichst viele Reisende ins Land locken. „Es läuft eine massiver Wettbewerb um Urlauber, die noch kein Quartier für die Sommerferien gebucht haben. Das gibt NRW die Chance, sich neu als Urlaubsland zu positionieren“, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am Montag bei der Vorstellung einer neuen Tourismus-Kampagne.

Etwa 40 Prozent der Bundesbürger planen aktuellen Umfragen zufolge einen Urlaub in Deutschland. Davon sollen zum Beispiel das Sauerland, der Niederrhein und das Ruhrgebiet kräftig profitieren, hieß es.

NRW unterstützt die Kampagne mit dem Titel „rauszeitlust – Mach mal NRW“ mit 1,2 Millionen Euro. Im Mittelpunkt steht die Internetseite dein-nrw.de mit vielen Tipps zu Reisezielen, Urlaubsangeboten, Öffnungszeiten und anderen Details. Im Internet, mit Plakaten und Zeitungsanzeigen wirbt der Dachverband Tourismus NRW ab sofort in anderen Bundesländern und im benachbarten Ausland um Urlaubsgäste. So wird zum Beispiel in München und Stuttgart auf Straßenbahnen für NRW geworben, die Gesellschaft „Ruhr Tourismus“ legt zusätzlich eine eigene Kampagne „Mach mal Ruhrlaub“ für das Rhein-Main-Gebiet auf. In Frankfurt am Main und Umgebung sei das Interesse an Tagesausflügen und mehrtägigen Trips ins Revier ausgeprägt, sagte Ruhr-Tourismus“- Geschäftsführer Axel Biermann.

Tourismusbranche in existenzieller Krise

Das Sauerland sieht sich selbst als Profiteur der Tourismuskampagne des Landes, sagte Rouven Soyka, Sprecher von „Sauerland-Tourismus“. Nach dem schlimmen Einbruch der Tourismusbranche in den vergangenen zwei Monaten normalisiere sich die Lage im Sauerland nun langsam wieder. Besonders die Campingplätze seien stark nachgefragt.

In NRW leben rund 650.000 Menschen vom Tourismus. Viele Hotels, Pensionen und Gaststätten stecken in einer existenziellen Krise. Nun soll der Sommertourismus die Branche retten.

Ausgerechnet an dem Tag, an dem am Montag nach wochenlanger Coronapause der erste Ferienflieger mit 189 Passagieren von Düsseldorf aus Mallorca ansteuerte, warb NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) für die Lust auf den Urlaub vor der eigenen Haustür. „NRW ist ein tolles Reiseland“, schwärmte der Minister. Eines, das nicht nur mit bekannten Ausflugszielen wie Kölner Dom und Zollverein Touristen anlocken könne, sondern auch mit Flamingos im Münsterland und Lavendelfeldern in Ostwestfalen.

Warum rechnet sich NRW neue Chancen im Tourismus aus?

Auch interessant

Weil viele Menschen wegen der Coronakrise in diesem Jahr Angst davor haben dürften, Im Ausland Urlaub zu machen. Etwa jeder zweite Bundesbürger ist Umfragen zufolge noch unsicher bei der Urlaubsplanung und setzt eher auf Reisen im Inland. Es ist aber nicht so leicht, hierzulande noch ein Urlaubsquartier zu finden. „Die Küsten sind fast ausgebucht“, sagten Minister Pinkwart und Vertreter des Verbandes „Tourismus NRW“ bei der Vorstellung der neuen Tourismus-Kampagne „rauszeitlust – Mach mal NRW“. Und so mag der eine oder andere Urlauber statt an Nord- oder Ostsee in diesem Jahr ans Wandern in Winterberg oder an einen Besuch des DFB-Fußballmuseums in Dortmund denken, so die Hoffnung. In den Sommer-, vielleicht auch in den Herbstferien.

Wie tief steckt der NRW-Tourismus in der Krise?

Die Lage ist dramatisch. „Betriebe, die Anfang März wirtschaftlich gesund waren, stecken jetzt in einer tiefen existenziellen Krise“, erklärte Achim Schloemer, Vorstandsvorsitzender von „Tourismus NRW“. Die erwarteten Einbußen durch die Coronakrise beziffert Schloemer mit rund 30 Milliarden Euro. Das entspreche der Wertschöpfung der NRW-Tourismusbranche in einem ganzen Jahr. Landesweit wurden zuletzt 55 Messen abgesagt, die drei Millionen Besucher nach NRW gelockt hätten. Die Nachfrage nach Übernachtungen ziehe gerade wieder leicht an. Aber erst im Jahr 2022 sei im Tourismus mit einer Rückkehr zur Normalität zu rechnen.„Ruhr-Tourismus“- Geschäftsführer Axel Biermann schätzt, dass die Nachfrage nach Übernachtungen im April im Vergleich zum Vorjahresmonat im Ruhrgebiet um rund 85 Prozent eingebrochen ist. Ähnlich hohe Einbrüche muss auch die Tourismusbranche im Sauerland und am Niederrhein verkraften. „Die Lage normalisiert sich langsam. Wir hoffen jetzt auf viele Spontanbuchungen“, sagte Rouven Soyka, Sprecher von „Sauerland-Tourismus“.

Ist unbeschwerter Urlaub in NRW wieder möglich?

Viele Hygienevorschriften und Abstandsregeln gelten weiterhin. Aber die jüngsten Lockerungen der Coronamaßnahmen machen viele Aktivitäten wieder möglich. So dürfen passend zur Tourismus-Kampagne in NRW seit dieser Woche wieder Wellness-, Erlebnis- und Spaßbäder sowie Saunen öffnen. Trödelmärkte, Zoos und Museen empfangen wieder Besucher.

Wo will NRW um Touristen werben?

Vor allem in der direkten Nachbarschaft, also in den Niederlanden, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Mit Plakaten und Anzeigen wirbt NRW aber auch in anderen Bundesländern. In München und Stuttgart wird die Kampagne „rauszeitlust – Mach mal NRW“ auf Straßenbahnen zu sehen sein. Die Hotel-Metasuchmaschine „Trivago“ soll auf NRW-Reiseangebote aufmerksam machen. Herzstück der Kampagne ist die Internetseite dein-nrw.de mit tagesaktuellen Tipps zu Reisezielen, Urlaubsangeboten, Öffnungszeiten und anderen Details, wie Heike Döll-König, Geschäftsführerin von „Tourismus NRW“ erklärte.

Auf welche Attraktionen setzen die Regionen?

Das Ruhrgebiet setzt zum Beispiel auf den Radtourismus und preist sein Radwegenetz von 1200 Kilometern Länge unter „radrevier.ruhr“ an. Der klassische Städtetourismus dürfte dort erst im September wieder anziehen, denn noch bis Ende August sind kulturelle Großveranstaltungen wie zum Beispiel Konzert-Events und Messe-Veranstaltungen verboten. Das Sauerland könnte unter anderem vom Camping-Trend profitieren. Auch die Nachfrage nach Hotel- und Pensionszimmern steige, so Rouven Soyka von „Sauerland-Tourismus“. Es gebe aber „in jedem Segment noch freie Kapazitäten, von der kleinen Ferienwohnung bis zum Fünf-Sterne Hotel“.