Bottrop. Der Schadstoff-Ausstoß der Bottroper Kokerei von Arcelor-Mittal ist zu hoch. Vor Ort regt sich Widerstand. Der Konzern reagiert auf Vorwürfe.

Der Druck, der auf Arcelor-Mittal in Bottrop lastet, ist groß. Schon seit 2018 überschreitet der weltgrößte Stahlkonzern an seinem Kokerei-Standort im Ruhrgebiet wichtige Zielwerte für den Schadstoffausstoß. Als maßgebliche Ursache gelten undichte Ofentüren in der Kokerei. Durch sie können krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) austreten. Im März präsentierte die Stadt Bottrop Ergebnisse zur Belastung von Grünkohlpflanzen im Umfeld der Kokerei und sprach von „katastrophalen Ergebnissen“. Oberbürgermeister Bernd Tischler zeigte sich enttäuscht. Vom Betreiber der Kokerei seien „Versprechungen gemacht worden, die nicht eingehalten wurden“, konstatierte er und mahnte, die Zielwerte müssten eingehalten werden.

„Es gab Verbesserungsbedarf in den vergangenen Monaten“, räumt Jens Loock ein, der für Bottrop zuständige Personalvorstand von Arcelor-Mittal. „Doch wir haben, insbesondere was die Schadstoff-Emissionen in Bottrop angeht, unsere Hausaufgaben gemacht.“ Laut Messungen des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) lag der Jahresmittelwert der Emission von krebserregendem Benzo(a)pyren, das zur PAK-Gruppe gehört, zuletzt bei 2,3 Nanogramm pro Kubikmeter Luft – nach 1,7 Nanogramm im Jahr zuvor. Der Zielwert ist 1,0.

Jens Loock, der für Bottrop zuständige Personalvorstand von Arcelor-Mittal: „Kokereien wie der Standort Bottrop werden noch einige Jahre gebraucht.“
Jens Loock, der für Bottrop zuständige Personalvorstand von Arcelor-Mittal: „Kokereien wie der Standort Bottrop werden noch einige Jahre gebraucht.“ © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Wir gehen nun davon aus, dass wir ab 2020 den geforderten Jahresmittelwert wieder einhalten“, beteuert Thomas Degen, der Standortchef von Arcelor-Mittal. „Zu Beginn des Jahres hatten wir noch hohe Monatswerte, die aber ab März stark gefallen sind.“ Mit Investitionen unter anderem in den Austausch von Ofentürdichtungen habe sich der Schadstoffausstoß „erheblich verringert“.

„Wir sind nicht die Schmuddelkinder aus Bottrop“

Die Benzo(a)pyren-Werte an der Messstation in der Nähe der Kokerei sinken nach Darstellung von Arcelor-Mittal deutlich, „trotz ungewöhnlich starker Winde auf die Messstation zu Anfang des Jahres“, wie Standort-Chef Degen betont. Das Unternehmen hat eigene Erhebungen der Schadstoffwerte unter Berücksichtigung meteorologischer Daten vorgenommen. Damit lasse sich beweisen, dass der Benzo(a)pyren-Ausstoß an der Kokerei mittlerweile mehr als 50 Prozent niedriger sei als im Vorjahr, erklärt Degen.

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Mit einer Website, auf der Arcelor-Mittal Messdaten zur Kokerei veröffentlicht, wirbt der Konzern um Vertrauen. „Wir sind nicht die Schmuddelkinder aus Bottrop. Im Gegenteil: Wir tun viel dafür, gute Nachbarn zu sein“, sagt Vorstandsmitglied Loock. „Aus unserer Sicht ist es nicht fair, mit dem Finger auf die Kokerei zu zeigen, wenn es um Themen wie belasteten Grünkohl geht.“ In der von Industrie und Gewerbe geprägten Stadt Bottrop könne die Belastung der Pflanzen nicht allein mit der Kokerei erklärt werden, gibt der Manager zu bedenken: „Wir sind nicht der einzige Schadstoff-Emittent in der der Stadt.“

Anwalt fordert von Arcelor-Mittal „Pauschal-Entschädigung“

Eine Bürgerinitiative und Anwohner im Bottroper Süden fordern schon seit einiger Zeit die Schließung der Kokerei, die Arcelor-Mittal im Jahr 2011 vom Bergbaukonzern RAG übernommen hat. Auch der Rechtsanwalt Daniel Kuhlmann, der schon bei vielen Verfahren gegen die RAG aktiv war, mischt im Kampf um die Kokerei mit. Kuhlmann vertritt nach eigenen Angaben rund 180 Mandanten, die unter anderem über die Staubbelastung im Umfeld der Kokerei klagen. „Wir wollen eine Pauschal-Entschädigung für alle Betroffenen erreichen“, sagt der Anwalt.

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Nachdem es mehr als 100 Strafanzeigen gegeben hatte, befasste sich zwischenzeitlich auch die Staatsanwaltschaft Essen mit der Bottroper Kokerei. Ein Vorwurf lautete Körperverletzung durch Schadstoffausstoß. Das Ermittlungsverfahren sei kürzlich eingestellt worden, teilte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. Zur Begründung hieß es, in Betracht kommende Vorschriften des Umweltstrafrechts hätten ein Verhalten vorausgesetzt, das verwaltungsrechtliche Pflichten verletzt. Hieran fehle es.

Der weltgrößte Stahlkonzern Arcelor-Mittal hat die Bottroper Kokerei im Jahr 2011 von der RAG übernommen.
Der weltgrößte Stahlkonzern Arcelor-Mittal hat die Bottroper Kokerei im Jahr 2011 von der RAG übernommen. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Arcelor-Mittal bekommt in Bottrop auch die Folgen der Corona-Krise zu spüren. „Wir haben unsere Produktion in Bottrop um 30 Prozent zurückgefahren“, berichtet Kokerei-Chef Degen. Statt wie sonst rund 5100 Tonnen täglich stelle das Unternehmen nun etwa 3800 Tonnen her. Seit Ende März gibt es Kurzarbeit in dem Werk mit rund 460 Beschäftigten. Betroffen sei praktisch die gesamte Belegschaft, die sich bei der Kurzarbeit abwechsle. „Die Zahl der anwesenden Beschäftigten verringert sich damit um rund 15 Prozent“, erläutert Degen. „Eine Kokerei muss aus technischen Gründen rund um die Uhr laufen. Damit sind unsere Möglichkeiten begrenzt, die Fixkosten in der Corona-Krise zu reduzieren.“

„Wir kämpfen für den Standort Bottrop“

„Kokereien wie der Standort Bottrop werden noch einige Jahre gebraucht“, sagt Personalvorstand Loock. Bisher seien Kokereien im Prozess der Stahlherstellung noch nicht zu ersetzen. Dies könnte sich erst in einigen Jahren ändern, wenn der Umbau der Industrie vorangeht. „Corona macht es nicht gerade leichter für uns. Aber wir werfen die Flinte nicht ins Korn“, sagt Loock zur Zukunft der Kokerei. „Wir kämpfen für den Standort Bottrop.“

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Arcelor-Mittal hofft in Deutschland angesichts der Corona-Krise auf staatliche Unterstützung. „Wir sehen die Bundesregierung gefragt, sich für die heimische Stahlindustrie einzusetzen“, sagt Personalvorstand Loock. Den Umbau der Stahlindustrie hin zu einer klimaneutralen Produktion könnten die Unternehmen „nicht allein schaffen“. Es sei „ein gutes Signal“, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) den Stahl als systemrelevant einstufe. „Den Worten sollten nun auch Taten folgen.“