Essen. Sanierer von Karstadt Kaufhof zeigen sich zuversichtlich, dass zwei Drittel der Filialen überleben können – wenn Vermieter Zugeständnisse machen.

Erst sollen 95 Filialschließungen auf dem Zettel der Sanierer von Galeria Karstadt Kaufhof gestanden haben. Den Betriebsrat provozierten sie mit dem Aus für bis zu 80 Warenhäuser. Und jetzt senden Frank Kebekus und Arndt Geiwitz die Botschaft aus, dass „im Idealfall“ zwei Drittel überleben könnten. Die Rettung des Essener Traditionskonzerns wird zum Pokerspiel.

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Zu den ungeschriebenen Spielregeln gehört auch, dass man in düsteren Farben beschreibt, was passiert, wenn Mitarbeiter, Vermieter und vielleicht auch Lieferanten jetzt nicht mitspielen. Und so erinnern Kebekus und Geiwitz an die Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker, die Zehntausende Frauen die Arbeitsplätze gekostet hat. „Wenn der Insolvenzplan abgelehnt wird, dann wird wahrscheinlich alles zugesperrt, so wie bei Schlecker“, warnt Arndt Geiwitz im Gespräch mit der „Wirtschaftswoche“.

Erinnerung an die Schlecker-Pleite

Geiwitz war der Insolvenzverwalter bei Schlecker. Im Schutzschirmverfahren für Karstadt Kaufhof hat das Essener Amtsgericht den Sanierungsexperten Ende März zum Generalbevollmächtigten berufen. Aktuell gehe er allerdings davon aus, dass Kaufhof und Karstadt erhalten bleiben. „Trotz aller Probleme ist der Warenhauskonzern zu retten, wenn auch nicht unbedingt in seiner heutigen Form“, sagt Geiwitz.

Der Schlecker-Vergleich provoziert energischen Widerspruch bei der Gewerkschaft Verdi: „Herr Geiwitz muss endlich einen Plan vorlegen, wie er Galeria Karstadt Kaufhof in die Zukunft führen will. Da muss er nicht auf die Schlecker-Pleite verweisen“, sagt Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel. „Die Politik und er als Insolvenzverwalter hatten sich damals selbst nicht mit Ruhm bekleckert.“

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Für die Sanierer stehen aber zunächst Schließungen im Vordergrund. „Wir haben allen Beteiligten klar gemacht, dass 80 Häuser ‚im Feuer‘ stehen. Das ist aber nicht die endgültige Zahl“, sagt Frank Kebekus im Interview. „Es gibt Warenhäuser, die sich nicht profitabel betreiben lassen, selbst wenn das Unternehmen keinen Cent Miete zahlen müsste. Diese Häuser stehen auf der roten Liste und werden geschlossen“, so der vorläufige Sachwalter.

Schwarze, graue und rote Listen

Kebekus und Geiwitz haben aber noch zwei weitere Listen: eine schwarze mit den Namen der Standorte, die gut laufen und offenbar nicht angetastet werden sollen. „Und dann gibt es über ein Dutzend Filialen auf der grauen Liste“, sagt Kebekus. Ihr Schicksal legen die Sanierer in die Hände Dritter. „Wenn es für diese Standorte noch Zugeständnisse von Vermietern und anderen Beteiligten gibt, kann es dort durchaus weiter gehen“, prophezeit der Sachwalter. „Von den insgesamt 172 Warenhäusern könnten am Ende im Idealfall vielleicht fast zwei Drittel weiter machen“, so Kebekus.

fanderl kehrt offenbar nicht als karstadt-chef zurück

Galeria-Filialen in NRW
Galeria-Filialen in NRW © funkegrafik nrw | Selina Sielaff

Zu Zugeständnissen bei der Miete wollen die Sanierer offenbar auch den Galeria-Eigentümer René Benko bewegen. Einige Karstadt- und Kaufhof-Filialen sind in Immobilien untergebracht, die Benkos Signa-Gruppe gehören. Diese Warenhäuser seien zwar „sicher unterdurchschnittlich betroffen, weil Signa tendenziell eher die besseren Objekte besitzt, also solche, die sich rechnen“, sagt Kebekus.

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Gleichwohl erwartet er Zugeständnisse auch von Signa. „Über die Form müssen wir noch sprechen. Ein Sanierungsbeitrag kann ja auch darin bestehen, dass Signa mit der Miete runter geht. Oder die Miete bleibt wie sie ist und im Gegenzug gibt Signa uns Cash. Denn Liquidität ist das, was wir aktuell dringend brauchen“, erklärt Arndt Geiwitz.

Sanierungsplan muss bis Ende Juni stehen

Viel Zeit bleibt den beiden Sanierern nicht. filialschließungen- verdi erhöht druck auf karstadt-eignerBis Ende Juni müssen sie einen gerichtsfesten Sanierungsplan präsentieren. Während des mehrwöchigen Shutdowns hat Galeria Karstadt Karstadt nach eigenen Angaben bereits eine halbe Milliarde Euro Umsatz verloren. Kebekus und Geiwitz wollen das Ergebnis um rund 300 Millionen Euro steigern, um Galeria zu retten.

Bis Ende 2022 solle der Warenhauskonzern „wieder Gewinn erzielen, und der muss so spürbar sein, dass die Filialen in den kommenden Jahren für mehrere hundert Millionen Euro modernisiert werden können und zwar aus der eigenen Finanzierungskraft“, meint Geiwitz. Den Beitrag der Beschäftigten beziffert er auf „insgesamt deutlich unter 50 Prozent des gesamten Sparvolumens“.

Dass die Mitarbeiter schon wieder leiden müssen, erzürnt die Gewerkschafter. Sie kündigen Konsequenzen an: „Verdi hat noch nie einen Konflikt gescheut. Wenn es zum Beispiel um Stellenabbau, Filialschließung oder Lohnkürzung bei Karstadt Kaufhof geht, werden wir die Konfrontation ganz sicher nicht scheuen“, kündigt Bundesfachgruppenleiter Akman an.

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Galeria Karstadt Kaufhof ist aber nicht der einzige Händler, der versucht, die Mieten zu drücken. „Es wird nichts mehr so sein, wie es vor Corona war“, sagt Kristina Pors vom Kölner Handelsinstitut EHI. Am Mittwoch hat sie just zum Thema Mietverhandlungen eine Studie vorgelegt. Sie hat die Veränderungen der Mietkonditionen im Handel zwischen 2015 und 2019 miteinander verglichen und kommt zu dem Schluss, dass sich die Verhandlungsposition der Mieter durchaus verbessert habe. Wobei Händler in Top-Lagen der Auswertung zufolge schlechtere Chancen auf Entgegenkommen der Vermieter haben als in Randlagen oder auf dem Land.

Dennoch warnt der Handelsverband insbesondere nach Corona vor einem beschleunigten Ladensterben. Pors ist überzeugt, dass Gespräche über Mieten hilfreich für alle Beteiligten sein können. „Von kooperativen Nachverhandlungen der Mietkonditionen können Händler, Immobilienbetreiber und letztlich auch Innenstädte und Einkaufszentren profitieren“, sagt die EHI-Expertin. „Ziel muss es sein, eine breite Auswahl an Läden zu erhalten und die Attraktivität der Standorte zu bewahren.“