Mülheim. Verdi erhöht den Druck auf Karstadt-Eigentümer Benko. Die Schließung von womöglich 80 Warenhauäusern will die Gewerkschaft nicht akzeptietren.
Osterhasen und Schokoladeneier gehen im Moment gut. Sie sind auch unschlagbar günstig. Karstadt verkauft die Süßigkeiten mit 70 Prozent Rabatt. Als die Nester im März und April befüllt werden sollten, stoppte das Corona-Virus das Ostergeschäft abrupt. Die Warenhäuser mussten wie viele andere Händler für Wochen schließen. Jetzt will Karstadt die Schokolade nur noch schnell loswerden, bevor das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist.
Bei 70 Prozent Preisnachlass kann das Essener Unternehmen sicherlich nichts mehr an der Osterware verdienen. Doch das wäre bitter nötig. Eine halbe Milliarde Umsatz habe man verloren, heißt es. Bis zu 80 der 174 Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof stehen nun auf der Kippe. So lauten die Pläne der gerichtlich bestellten Sanierer Frank Kebekus und Arndt Geiwitz, die sie am Freitag Betriebsräten unterbreitet hatten. Während des Schutzschirmverfahrens haben die Experten fürs Grobe das Sagen im Konzern. Seither geht die Angst unter den 27.000 Beschäftigten um. Sie diskutieren, welche Warenhäuser, Reisebüros, Restaurants, Feinkostabteilungen und Sportfilialen womöglich auf der roten Liste stehen.
Mehr Klarheit am 25. Mai erwartet
Am 25. Mai, so hofft die Gewerkschaft Verdi, könnte es mehr Klarheit geben. Dann tagt die Tarifkommission. Auf der Sitzung sollen Kebekus und Geiwitz ihre Pläne präsentieren. Für den Tag danach hat Verdi ihre Bundestarifkommission zu internen Beratungen eingeladen. Die Gewerkschaft will den geplanten Abbau Tausender Stellen bei Karstadt Kaufhof nicht tatenlos hinnehmen.
„Die Karten müssen offen auf den Tisch. Dazu gehört auch eine klare Positionierung des Eigentümers René Benko“, fordert Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel bei Verdi. „Die Beschäftigten erwarten von ihm Zukunft statt Kahlschlag.“ Erst Ende 2019 hatten sich Galeria und Gewerkschaft auf einen Zukunftstarifvertrag mit Stellen- und Standortgarantie geeinigt. Der österreichische Immobilien-Unternehmer Benko hatte zugesagt, 700 Millionen Euro in die Modernisierung der Filialen zu investieren. Doch nach Corona ist nun alles Makulatur.
Verdi: Benko macht sich vom Acker
Akman, selbst Mitglied im Aufsichtsrat von Galeria Karstadt Kaufhof, wirft Benko vor, sich „vom Acker zu machen“. Den Tarifvertrag hatte Verdi mit Geschäftsführer Stephan Fanderl ausgehandelt. Offenbar nach schwerer Krankheit und anschließender Reha ist Fanderl seit vielen Wochen nicht in der Essener Zentrale gesehen worden.
Akman ist nicht gut zu sprechen auf das Karstadt-Management. Man habe den Eindruck, „dass Manager und Berater sich seit Jahren in den Chefetagen die Klinke in die Hand geben und Millionen kassieren, ohne wirklich für eine Zukunft des Geschäfts und mehr Umsatz zu sorgen“, sagt der Gewerkschafter und fügt hinzu: „Gleichzeitig rackern sich die Beschäftigten ab und wurden immer wieder zur Kasse gebeten“.
Verdi fordert nun endlich ein Zukunftskonzept für die Warenhäuser und erwartet, dass dabei die Mitarbeiter einbezogen werden. Politiker in Bund, Land und Kommunen müssten jetzt ihren Einfluss geltend machen, um ein Sterben vieler Innenstädte zu verhindern und die Arbeitsplätze zu erhalten. Trotz der Angst und mit Maske im Gesicht geben die Beschäftigten nach Wochen der Schließung wieder ihr Bestes. Auch wenn in der Haushaltswarenabteilung am Samstag in den Mülheimer Karstadt-Arkaden wenig zu tun ist. Die Kollegin in der Osterabteilung hat dafür mitten im Mai umso mehr zu tun. An ihrer Kasse bildet sich eine lange Schlange. Bei der Jagd nach Schnäppchen haben die Kunden eben auch einen Nachholbedarf.