Essen. Karstadt-Chef Stephan Fanderl ist zu Beginn der großen Corona-Krise abgetaucht. Nun verdichten sich die Anzeichen einer endgültigen Trennung.

Plötzlich war er weg: Bereits im März sorgte das bis heute vom Unternehmen unkommentierte Abtauchen seines Vorstandsvorsitzenden Stephan Fanderl in der Essener Karstadt-Zentrale für Verwunderung. Nun verdichten sich die Hinweise, dass Fanderl auch nicht mehr auf seinen Chefsessel beim Warenhauskonzern zurückkehren wird. Die Umstände bleiben nebulös.

Bericht über Auflösungs-Gespräche

Es liefen bereits Verhandlungen der österreichischen Karstadt-Mutter Signa Retail mit Fanderl über eine Vertragsauflösung, berichtet das Wirtschaftsmagazin „Capital“ unter Berufung auf Signa-Insider. Dabei gehe es zugleich darum, dass Fanderl seine stille Beteiligung an Signa verkaufen solle. Deren Wert sei gesunken, weil Galeria Karstadt Kaufhof sich in der Corona-Krise in ein Schutzschirmverfahren begeben hat.

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Dass sich die Signa-Tochter in ihrem Kampf ums Überleben auf einem harten Schrumpfkurs befindet, machte das aktuelle Management um die Insolvenzexperten Arndt Geiwitz und Frank Kebekus sowie Galeria-Finanzchef Miguel Müllenbach unlängst den Betriebsräten mehr als deutlich: Bis zu 80 der 170 Warenhäuser stünden auf dem Prüfstand, teilten sie in einer Präsentation am vergangenen Freitag mit. Auch in den verbleibenden Kaufhäusern sei zudem ein Personalabbau von zehn Prozent geplant, berichteten Arbeitnehmerkreise. Es geht die Sorge um 8000 bis 10.000 Arbeitsplätze um, weil auch Karstadt Sports, die Feinkost- und Gastronomie-Töchter sowie die Reisebüros und die Logistik stark betroffen sein dürften. Insgesamt hat der Konzern 35.000 Beschäftigte. Verdi hat harten Widerstand angekündigt.

Der Grund des Verschwindens bleibt im Dunkeln

Nun geht es in die Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite und mit den Gläubigern, bis Ende Juni muss das Krisenmanagement dem Insolvenzgericht einen überzeugenden Sanierungsplan vorlegen. Dass in dieser schwierigsten Phase des Warenhauskonzerns seit der Insolvenz 2009 und nach dem Einstieg von Signa 2014 der Chef abgetaucht ist, verwundert viele im Umfeld des Unternehmens. Wie es heißt, wird intern stets von „krankheitsbedingter Abwesenheit“ gesprochen, Anfang April hieß es, er absolviere eine Reha-Maßnahme, Details über die Erkrankung wurden jedoch nicht bekannt. Anders als bei nicht börsennotierten Unternehmen wie Karstadt müssten Aktiengesellschaften in solchen Fällen auch über temporäre Veränderungen im Vorstand informieren. Zumal in dieser Phase.

Fanderl wurde vom österreichischen Milliardär René Benko gleich nach seiner Karstadt-Übernahme an die Spitze des erneut schwer angeschlagenen Kaufhaus-Riesen gesetzt. Der Handelsmanager brachte Karstadt binnen drei Jahren zurück in die Gewinnzone, sollte dasselbe mit dem früheren Erzrivalen Kaufhof schaffen, den Benko 2018 ebenfalls übernahm und so die lang ersehnte Fusion der beiden deutschen Warenhaus-Ketten vollendete.

Insolvenzexperten planen harte Sanierung

Das gestaltete sich schwieriger als gedacht, nun machte die Corona-Krise mit wochenlangen Zwangsschließungen einem harmonischeren Zusammenschluss endgültig einen Strich durch die Rechnung. Die Insolvenzexperten Geiwitz und Kebekus sehen offenkundig die letzte Chance in einer radikalen Schrumpfkur, die Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi freilich ablehnen. In solchen Phasen sehen Eigentümer gern harte Sanierer im Management. Fanderl gilt eher als Retailer – als ein Handelsmanager, der nach Vertriebswegen sucht, die Bilanz zu verbessern. Noch zu Jahresbeginn hielt er bei einem seiner letzten Auftritte als Karstadt-Chef in der Essener Philharmonie beim Jahresempfangs des Einzelhandelsverbandes ein flammendes Plädoyer für die Zukunft der Kaufhäuser.