Viele ehemalige Schlecker-Frauen verdienen heute weniger
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Essen. Nach der Schlecker-Pleite vor zwei Jahren leiden immer noch viele der rund 27.000 Beschäftigten unter der Insolvenz. Zwar galten zuletzt nur noch 6000 ehemalige Schlecker-Mitarbeiter als arbeitslos. Vielen geht es laut Gewerkschaft Verdi aber deutlich schlechter als zu Schlecker-Zeiten.
Den Dienstagabend hat sich Manuela Stutzer seit langer Zeit frei gehalten. Die „Schlikkerfrauen“ (Dienstag, 30.September, 20.15 Uhr, Sat.1) will sich die ehemalige Schlecker-Frau nicht entgehen lassen. Nach der Pleite der Drogeriemarktkette 2012 hat die Kölnerin den Weg in die Selbstständigkeit gewagt – im ehemaligen Schlecker-Ladenlokal.
„Em und es“ heißt das Geschäft im Kölner Stadtteil Esch und bietet viel mehr als früher Schlecker. Ein Getränkemarkt gehört ebenso dazu wie ein Nagelstudio und Spielzeug. Wirtschaftliche Sprünge kann Manuela Stutzer aber nicht machen. „Ich komme am Monatsende mit plus minus null heraus“, sagt sie. „Es ist schwer, Kunden an mich zu binden.“
27 000 Schlecker-Frauen erhielten die Kündigung
Mit ihrem Schicksal steht die 51-jährige Jung-Unternehmerin nicht allein. Von den rund 27.000 Schlecker-Frauen, die in mehreren Wellen zwischen Januar und August 2012 die Kündigung erhalten hatten, haben die meisten den rauen Wind des deutschen Arbeitsmarkts zu spüren bekommen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im vergangenen Jahr von den einst 25.000 arbeitslos gemeldeten Ex-Schlecker-Beschäftigten „nur“ 6000 noch nicht vermittelt.
Doch diese Zahl ist für Achim Neumann von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nicht entscheidend. „Es gibt regional sehr große Unterschiede. In Bayern und Baden-Württemberg gab es gute Vermittlungschancen in Verkaufsberufen. Im Osten dagegen sehr schlechte. Der Markt NRW ist gespalten“, sagt er.
Die 2000 Schlecker-Frauen, die beim Wettbewerber Rossmann und die 800, die bei dm unterkamen, können sich glücklich schätzen. „Beide Unternehmen zahlen nach Einzelhandelstarif“, so Neumann.
Die weitaus meisten Schlecker-Frauen sind nach Verdi-Erkenntnissen allerdings branchenfremd vor allem in Callcentern untergekommen – mit befristeten Verträgen und „fast immer weit unter den Tarifen für den Einzelhandel“. 6,50 bis 8,50 Euro statt 13,50 Euro bei Schlecker.
Gefloppt hat auch die seinerzeit von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) medienwirksam gestartete Initiative, Schlecker-Frauen zu Altenpflegerinnen und Erzieherinnen umzuschulen. Nach Verdi-Informationen haben davon gerade einmal rund 50 Frauen Gebrauch gemacht. Neumann: „Die Finanzierung für das dritte Jahr war offen. Das sollten die Schlecker-Frauen selbst zahlen.“
Weg in die Selbstständigkeit
Einige ehemalige Beschäftigte versuchten ihr Glück deshalb mit dem dritten Weg, der Selbstständigkeit. 130 bis 150 Frauen haben laut Verdi den Versuch übernommen. So einigermaßen gut, wie es Manuela Stutzer in Köln erging, verliefen andere Existenzgründungen nicht. In Baden-Württemberg und im Saarland entstanden „Drehpunkt“-Läden, die auf der Idee der Nahversorgung basieren. Doch einige dieser Geschäfte stehen nach Medienberichten erneut vor der Pleite.
Keine Überraschung, glaubt man den Zahlen des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums. Danach brauchen Nachbarschaftsläden einen Mindestumsatz von 600 000 Euro pro Jahr, um überleben zu können. Doch die Erfahrung zeigt, dass die Kunden dann doch lieber zum Discounter gehen – weil es dort billiger ist.
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