Rheda-Wiedenbrück. . Die Coronatests bei Deutschlands größtem Fleischverarbeiter sind bislang negativ. Clemens Tönnies wirft Gesundheitsminister Kritik-“Manie“ vor.

Clemens Tönnies, geschäftsführender Gesellschafter bei Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies, hat sich erneut gegen einen Generalverdacht gegen die Fleischindustrie in der Corona-Pandemie ausgesprochen. „Ich habe viel Verständnis für Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Er steht gerade sehr unter Druck und die Politik in Deutschland macht einen tollen Job. Aber seine Kritik darf nicht zur Manie werden“, sagte Clemens Tönnies bei einer Pressekonferenz des Unternehmens am Mittwoch in Rheda-Wiedenbrück. Laumann hatte jüngst angekündigt, die Pandemie nutzen zu wollen, um gegen Missstände in der Fleischindustrie vorzugehen.

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Zuvor hatte der Kreis Gütersloh die ersten Zahlen nach Tests auf Corona-Infektionen bei Tönnies vorgestellt. Bislang sind von 784 ausgewerteten Proben der Mitarbeiter aus dem Schlachtbetrieb alle negativ ausgefallen. „Wir sind natürlich zufrieden, aber auch angespannt. Wir sind noch lange nicht durch mit der Pandemie, das wird uns noch Monate beschäftigen und wir sind alle gefordert im Unternehmen“, sagte Clemens Tönnies als Reaktion auf die Zahlen.

Bei Tönnies sieht man sich gut gewappnet gegen einen Corona-Ausbruch

„Wir hatten keine Covid-19-Großlage bei uns erwartet, weil es bislang im Kreis Gütersloh keine bestätigten Fälle gab, die mit unserer Produktion zu tun hatten“, sagte Gereon Schulze Althoff, Leiter des Pandemie-Stabs bei Tönnies bei der Pressekonferenz am Sitz der Tönnies-Zentrale in Rheda-Wiedenbrück. Wir müssen weiter vorsichtig sein", sagte Schulze Althoff. Er wehrte sich gegen Vorwürfe, die gesamte Fleischbranche sei ein 'Corona-Hotspot'.

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Am Montag und Dienstag seien bei Tönnies knapp 2100 Beschäftigte getestet worden. Es sei für den Anfang ein Querschnitt der Mitarbeiter im gesamten Unternehmen getestet worden, hieß es bei Tönnies. Das Land NRW hatte angeordnet, alle Beschäftigten der Schlachthöfe in NRW auf das Corona-Virus zu testen.

Insgesamt 7000 Tönnies-Mitarbeiter sollen getestet werden

Insgesamt sind bei Tönnies 7700 Mitarbeiter beschäftigt, von denen insgesamt 7000 getestet werden, sagte Schulze Althoff. Alle Ergebnisse sollen spätestens am kommenden Montag vorliegen, hieß es.

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Schulze Althoff hob hervor, dass man sich bei Tönnies frühzeitig, erstmals bereits in diesem Februar, auf eine Corona-Pandemie eingestellt habe, nicht nur im Betrieb selbst, sondern auch mit Blick auf die Unterkünfte von Arbeitern, die im übrigen nicht in Groß-Sammelunterkünften untergebracht seien, sondern in kleineren Einheiten, die eher mit Wohngemeinschaften vergleichbar seien. Mit verschiedensten Maßnahmen seien Mitarbeiter in allen Bereichen bereits im März auf die Corona-Gefahr hingewiesen worden, zudem sei ein Hygiene-Konzept erarbeitet worden, dass alle Bereiche der Betriebe bei Tönnies umfasse.

Als jüngste Maßnahmen würde inzwischen jeder neue Mitarbeiter vor erstmaligem Arbeitsantritt auf Corona getestet; Reise-Rückkehrer, sofern sie länger als vier Tage abwesend waren, würden ebenfalls jetzt nach Rückkehr auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet, bevor sie wieder Zutritt zum Betriebsgelände bekämen, sagte Schulze Althoff. Im Zusammenhang mit dem Massen-Ausbruch im österreichischen Skiort Ischgl habe es zwei Corona-Fälle im gesamten Unternehmen gegeben, die jedoch frühzeitig erkannt worden seien und keine weiteren Ansteckungen ausgelöst hätten, hieß es.

Über 260 bestätigte Infizierte bei Westfleisch in Coesfeld

Nachdem in einem Schlachtbetrieb der Firma Westfleisch in Coesfeld eine hohe Zahl von Infektionen entdeckt worden war, wurde der Betrieb am vergangenen Freitag geschlossen. Das NRW-Gesundheitsministerium ordnete an, dass landesweit bis zu 20.000 Mitarbeiter von Fleischfabriken untersucht werden müssen.

Im Kreis Coesfeld waren - Stand Dienstag - 261 Beschäftigte im Schlachtbetrieb des Unternehmens Westfleisch in Coesfeld nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Bei 573 Getesteten hatte sich die Befürchtung nicht bestätigt, teilte der Kreis mit. Insgesamt waren unter den Beschäftigten bis Dienstag 1012 Abstriche genommen worden. Der Schlachthof wurde bis auf Weiteres geschlossen.

NRW-Gesundheitsminister will "Sumpf" in Fleischindustrie "austrocknen"

Unterdessen hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef-Laumann eine "Null-Toleranz-Politik" gegenüber der Fleischindustrie angekündigt: In einer Hörfunk-Sendung auf WDR 2 sagte Laumann: "Egal, wer Schlachthofbetreiber ist. Wir müssen jetzt diesen Sumpf austrocknen. Die Pandemie gibt uns die Möglichkeit, das zu tun“.

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Bislang sei es nicht möglich gewesen, die Wohnungen der Werksarbeiter zu kontrollieren, weil diese privat angemietet werden. „Da galt der Schutz der Wohnung. Jetzt haben wir in der Pandemie die Möglichkeit, auf Grund des Infektionsschutzgesetzes mit den Gesundheitsämtern da rein zu gehen. Der Arbeitsschutz hatte da bislang überhaupt keine Rechte“, sagte Laumann.

„Meine Geduld mit der Fleischindustrie ist schon länger am Ende“, sagte der Minister und beklagte, dass die Schlachtbetriebe ihr eigenes Kerngeschäft, also das Schlachten und Zerlegen der Tiere, ausgegliedert hätten. „Das wäre so, als wenn VW keine eigenen Autos mehr bauen würde, sondern sich nur noch um die Logistik kümmert.“

Laumann wehrt sich gegen Vorwürfe der Landtags-Opposition

Laumann hat Vorwürfe zurückgewiesen, er habe unhaltbare Zustände in den Schlachthöfen einreißen lassen. NRW sei das erste Bundesland gewesen, dass Corona-Tests für alle Mitarbeiter in Schlachtbetrieben angewiesen habe, sagte Laumann am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Düsseldorfer Landtag.

Alle Behörden in NRW hätten nach Bekanntwerden der Infektionsfälle in Schlachthöfen „schnell und umfassend reagiert“, versicherte der Minister. Unmittelbar danach seien Hygienekonzepte angefordert, Regelungen für die Unterkünfte der Mitarbeiter getroffen und der Schlachtbetrieb Westfleisch im Kreis Coesfeld bis zum kommenden Sonntag geschlossen worden. Die Opposition hatte das Handeln der NRW-Landesregierung im Gesundheitsausschuss hinterfragt. (dae/mit dpa)