Essen. Kurzarbeit, Stellenabbau, Unsicherheit – Thyssenkrupp steckt tief in der Krise. Die aktuellen Planungen stehen unter einem „Corona-Vorbehalt“.

Dass sich der Vorstand von Thyssenkrupp bei einer Halbjahres-Bilanz via Telefonkonferenz zu Wort meldet, ist nicht neu – wohl aber der Hinweis an die Zuhörer, dass sich die versammelten Manager mit großem Abstand in einem Raum in der Essener Firmenzentrale befinden. Ja, die Corona-Krise prägt in vielerlei Hinsicht den Konzern. Mehr als 30.000 Beschäftigte befinden sich aktuell in Kurzarbeit, die Stahlwerke im Ruhrgebiet haben ihre Produktion gedrosselt, in Italien musste Thyssenkrupp einen Standort sogar zwischenzeitlich auf Wunsch der Behörden stilllegen.

Ein neues Wort hält Einzug im Zwischenbericht des Unternehmens. Es lautet „pandemiebedingt“. Schon vor Corona war Thyssenkrupp angeschlagen. Die Folgen der Krise treffen den Essener Industriekonzern zusätzlich mit voller Wucht. Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2019/2020 hat Thyssenkrupp eigenen Angaben zufolge einen Verlust von mehr als 1,3 Milliarden Euro verbucht. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres fiel bereits ein Minus von 93 Millionen Euro an.

Zwischenbilanz bildet Zeitraum bis Ende März ab

Der nun vorgelegte Zwischenbericht bildet lediglich den Zeitraum bis Ende März ab. Dabei dürften insbesondere im April die Auswirkungen der Pandemie gravierend gewesen sein. Die anfänglich in China auftretende Coronavirus-Epidemie breitete sich zu Beginn des Jahres weltweit aus und wurde von der Weltgesundheitsorganisation am 11. März zur Pandemie erklärt. Danach stoppten zwischenzeitlich große Stahlabnehmer wie der Autobauer Volkswagen die Produktion in Deutschland.

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„Die Corona-Pandemie stellt uns vor gewaltige Herausforderungen“, erklärt Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz in einer schriftlichen Stellungnahme. „Noch ist das ganze Ausmaß der Krise für unsere Geschäfte nicht vollständig absehbar. Aber bereits jetzt wird deutlich, dass die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen sehr tiefe Spuren hinterlassen werden.“

Weitere Verluste in den kommenden Monaten erwartet

Die Aussichten sind düster: Infolge der vorübergehenden Werksschließungen der Autobauer werde der Umsatz von Thyssenkrupp vor allem im bevorstehenden zweiten Halbjahr deutlich zurückgehen, berichtet das Unternehmen. Im dritten Quartal seien Verluste „im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich wahrscheinlich“ und ein Verlust „bis zu gut einer Milliarde Euro nicht auszuschließen“.

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Frisches Geld soll im Sommer durch den Verkauf des Aufzuggeschäfts mit mehr als 50.000 Mitarbeitern in die Konzernkasse kommen. In der Zwischenzeit ist Thyssenkrupp auf einen Kredit der Staatsbank KfW angewiesen. Am 8. Mai hat das Unternehmen eine Kreditlinie über eine Milliarde Euro aus dem KfW-Sonderprogramm abgeschlossen. Neben der KfW seien auch weitere Geldhäuser an dem Bankenkonsortium beteiligt. „Wir haben kein Problem mit der Liquidität“, versichert der neue Thyssenkrupp-Finanzchef Klaus Keysberg in der Telefonkonferenz.

Vorstandschefin Merz will „aufs Tempo drücken“

Vorstandschefin Merz betont zudem, der Konzern habe in den vergangenen Monaten „etliche Fortschritte beim Umbau gemacht“. Das Aufzuggeschäft sei verkauft und eine Umsetzung der „Stahlstrategie“ begonnen worden. Die Sanierung laufe. „Also, da geht einiges voran“, so Merz. „Corona bremst zwar die Entwicklung, aber wir drücken weiter aufs Tempo.“

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In allen Einheiten von Thyssenkrupp müsse die Leistungsfähigkeit indes gestärkt werden, mahnte Merz unlängst in einem Schreiben an die Mitarbeiter. Die „Performance“ des Unternehmens müsse „noch schneller besser werden“. Denn: „Die Fortschritte in den Geschäften sind bisher sehr unterschiedlich. Und – ganz ehrlich – in Summe noch lange nicht ausreichend. Wenn wir da unser Niveau nicht zügig und erheblich verbessern, dann helfen uns alle bisher gemachten Fortschritte nichts.“

„Corona-Vorbehalt“ bei Themen wie Stellenabbau und Verkaufsgesprächen

Während in der Quartalsbilanz das Wort „pandemiebedingt“ auffällt, ist es in der Telefonkonferenz mit Finanzchef Keysberg der Begriff „Corona-Vorbehalt“. Als es um Pläne für Stellenabbau geht, spricht der Manage ebenso davon wie bei Fragen nach Verhandlungen zu einem möglichen Verkauf der Anlagenbausparte sowie der Grobblech-Produktion.

Bislang hat der Vorstand den Abbau von rund 6000 Arbeitsplätzen angekündigt. Davon seien 2400 Stellen „in der Umsetzung“ oder bereits abgebaut. Ob mehr Jobs wegfallen müssten, sei „im Moment nicht zu konkretisieren“, sagt Keysberg auf Nachfrage und fügt hinzu: Wenn die wirtschaftliche Lage in einem Jahr noch immer um 20 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau sei, „werden wir uns natürlich darüber zu unterhalten haben“.