Essen. Das Essener Start-up Abalos will die Krebstherapie revolutionieren – und kann dabei auf Unterstützung eines Pharma-Riesen zählen.

Meerschweinchen oder Hamster: Normalerweise kommen sogenannte Arenaviren in Nagetieren vor. Sie könnten aber auch als nächste wirksame Waffe im Kampf gegen Krebs eingesetzt werden. Das Essener Start-up Abalos Therapeutics entwickelt Wirkstoffe, mit denen die Kleinsäuger-Viren Tumorzellen schädigen und gleichzeitig das Immunsystem gegen Krebs aktivieren können. Mit dieser Methode hat das junge Unternehmen jetzt einen Zusammenschluss von Investoren überzeugt.

Wollen ein neues Kapitel der Krebstherapie aufschlagen: Abalos-Chefs Jörg Vollmer (li.) und Markus Kostka mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Sarah-Kim Friedrich.
Wollen ein neues Kapitel der Krebstherapie aufschlagen: Abalos-Chefs Jörg Vollmer (li.) und Markus Kostka mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Sarah-Kim Friedrich. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

12 Millionen Euro Risikokapital investieren die NRW-Bank als Förderbank des Landes und der Boehringer Ingelheim Venture Fund vom gleichnamigen, rheinland-pfälzischen Pharma-Riesen in das fünfköpfige Essener Unternehmen. Die Series-A-Finanzierungsrunde wird dazu auch vom Gründerfonds Ruhr und dem Bonner High-Tech Gründerfonds getragen.

Das Immunsystem soll wieder aktiviert werden

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Überzeugt hat Abalos das Konsortium mit einem Konzept, das auf langjähriger Forschung der Brüder Karl (Uni Duisburg-Essen) und Philipp (Uni Düsseldorf) Lang basiert. Verwendet werden die Nager-Viren hier bei der Krebs-Immuntherapie, die eine Alternative oder Ergänzung zur Chemo- und Strahlentherapie darstellt. „Tumorzellen unterlaufen das Immunsystem. Sie haben Schilde, die sie hochfahren, um sich vor Angriffen des Immunsystems zu schützen“, erklärt Marcus Kostka, Abalos-Chef und zuvor Investor bei Boehringer Ingelheim. „Das Prinzip der Immuntherapie ist es, diese Schilde wieder abzubauen - und wir schaffen das mit Arenaviren.“

Die Viren sind aber nicht nur hilfreich, weil sie das Immunsystem wieder aktivieren können. „Die besondere Gabe der Arenaviren ist es, dass sie sich sehr gut auf neue Organismen einstellen können“, ergänzt der Chefmanager. Die Brüder Lang haben herausgefunden, dass diese Gabe gerade gefährlich für Krebszellen sein kann. „Die Viren können sich sehr gut in Tumorzellen vermehren und dabei Mechanismen der Zellen zerstören.“

Die Viren erreichen auch Metastasen

Dabei finden manche Arenaviren aber nicht nur den Weg zum Haupttumor, auch sollen sie bei der Abalos-Methode die Metastasen erreichen, also die gestreuten und meist für den tödlichen Verlauf verantwortlichen Absonderungen eines Tumors.

Nebenwirkungen

Was passiert, wenn Arenaviren in den menschlichen Organismus gelangen? „Wer mal von einem Hamster gebissen wird, kann durch die Arenaviren auch mal einen Tag Fieber bekommen“, erklärt Abalos-Chef Marcus Kostka. Das Immunsystem werde eben aktiviert. Aus Studien seit den Siebzigerjahren wisse man zudem, dass der Menschen auch eine größere Menge an Arenaviren gut vertragen könne.

Kostka ist zuversichtlich, dass die Arenaviren durch die natürlichen Körperabwehrsysteme schließlich abgetötet werden, wenn sie nach der Vermehrung in den Tumorzellen nicht mehr benötigt werden. „Dann wird der Körper den Virus eliminieren - ganz wie beim Schnupfen.“

„Das heißt: Es soll mit der Methode nicht zum Rückfall beim Patienten kommen“, erklärt Kostka – der das Unternehmen übrigens nach einem Dünenfeld auf dem Mars benannt hat. „Arena heißt im Lateinischen ‘Sand’, weil die Viren unter dem Mikroskop wie viele Sandkörner aussehen. Wir haben bei der Namenssuche also an Dünen und Sandstürme gedacht – und sind auf den Mars gestoßen.“ Der Bezug passe gut, findet der Abalos-Chef. „Die Menschheit will auf den Mars; wir wollen uns auch einer großen Herausforderung stellen.“

Eigener Ansatz: Die Natur arbeiten lassen

Arenaviren in der Krebstherapie zu verwenden, ist allerdings keine Weltneuheit. Das aus Wien stammende Unternehmen Hookipa Pharma etwa nutzt die Viren ebenfalls, um Wirkstoffe gegen Krebs und Infektionskrankheiten zu entwickeln. Erst im April konnte Hookipa einen erfolgreichen Börsengang an der US-amerikanischen Technologie-Börse Nasdaq feiern. Im Gegensatz zu vergleichbaren Unternehmen verfolge man bei Abalos in Essen jedoch besonders in einem Punkt einen anderen Ansatz.

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Im Gegensatz zu anderen Entwicklern will man bei Abalos die natürliche Beschaffenheit von Arenaviren nutzen. Die Viren sollen nicht genetisch verändert werden, damit sie ihre ganze Funktion entfalten. Stattdessen wollen die Essener per hauseigener Methode den Nager-Virus mit den besten natürlichen Eigenschaften ausfindig machen. „Es geht darum, den optimalen Virus für die Krebstherapie zu finden“, sagt Marcus Kostka. „Wir wollen die Natur für uns arbeiten lassen.“

„Das Start-up kann sehr vielen Menschen helfen“

Für einen „einzigartigen“ Wirkmechanismus hält Aristotelis Nastos, Geschäftsführer im Gründerfonds Ruhr, dieses Konzept. „Die bisherigen Daten von Abalos zeigen eine viel stärkere Wirkung bei der Tumorbehandlung als alle bisherigen Therapieansätze, die ich gesehen habe“, zeigt er sich überzeugt. Thomas A. Lange, der als Co-Moderator beim Initiativkreis Ruhr den Gründerfonds mit ins Leben gerufen hat, spricht beim Essener Start-up von einem „weiteren positiven Beispiel aus der Medizin für die Innovationskraft junger Unternehmen im Ruhrgebiet“ und ist zuversichtlich, dass Abalos „vielen Menschen helfen kann“.

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Die 12 Millionen Euro sollen in den nächsten drei Jahren nun vor allem in die Suche nach dem optimalen Arenavirus fließen, der sich am besten als Produktkandidat eignet. Werden auch die folgenden Testphasen erfolgreich durchlaufen, rechnen die Essener damit, dass die Abalos-Methode in etwa zehn Jahren Anwendung in der Krebstherapie finden könnte – wenn es nach Markus Kostka geht, dann auch bei Tumorarten, bei denen viele Therapien bislang scheitern. „Wie wollen eine möglichst breite Anwendung.“