Düsseldorf. Das „virtuelle Krankenhaus“ soll die Versorgung in NRW verbessern. Aber nicht nur bei der Finanzierung sind noch Fragen offen.
Das NRW-Gesundheitsministerium will das erste „virtuelle Krankenhaus“ im Bund auf den Weg bringen. Dabei geht es um eine digitale Plattform, über die Fachärzte „per Klick“ miteinander vernetzt werden sollen, um vor allem bei der Diagnose Verbesserungen für die Patienten zu erzielen.
Angela Schulz (67) aus dem sauerländischen Dorf Bödefeld ist wegen einer Lungenentzündung zur Behandlung im nächstliegenden Krankenhaus. Ihr Zustand verschlechtert sich schnell. Die Ärzte wissen nicht weiter, rätseln über die Ursachen – aber schalten über das „virtuelle Krankenhaus“ erfahrene Infektiologen aus einem weiter entfernten Universitätsklinikum hinzu. Alle Daten von Frau Schulz werden den Fachärzten als elektronische Fallakte zugesendet. Die Diagnose aus der Ferne erfolgt schnell: Sepsis. Frau Schulz wird entsprechend behandelt – und überlebt.
Es ist nur ein Fallbeispiel. Aber es zeigt, was sich durch das „virtuelle Krankenhaus“ verbessern soll, das schon Anfang 2020 in die Pilotphase gehen soll.
Finanzierung durch Krankenkassen angepeilt
Durch die digitale Plattform sollen Patienten im Beisein ihres behandelnden Mediziners den Rat eines weiteren Facharztes einholen können. Patientendaten sollen einfacher überwacht und ausgetauscht werden, elektronische Visiten oder Videosprechstunden ermöglicht werden. Eine Sprechstunde für Patienten mit Grippe und verdorbenem Magen wird das nicht sein. „Aber die Therapien zum Beispiel von seltenen Erkrankungen können damit deutlich verbessert werden“, sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU)
Welche Patienten mit welchem Krankheitsprofil genau von dem neuen Angebot profitieren sollen, ist noch nicht klar. Auch die Finanzierung steht noch in den Sternen. Zwar will die Landesregierung das Projekt zunächst mit zwei Millionen Euro jährlich aufbauen. Und auch die Krankenkassen signalisieren bereits, dass sie dem Projekt nicht abgeneigt sind. Barbara Steffens, Leiterin der Techniker Krankenkasse NRW und frühere NRW-Gesundheitsministerin, spricht sogar von einer „bundesweiten Vorreiterrolle Nordrhein-Westfalens“. Aber: Minister Laumann, der die virtuelle Klinik zwingend ins Regelsystem integrieren möchte, sieht noch das „Bohren dicker Bretter“ nötig, um die digitale Behandlung über die Krankenkassen abrechnen zu lassen.
Universitätskliniken Aachen, Essen und Münster sind an Bord
Der Minister will offenbar tief bohren. Für ihn ist die virtuelle Klinik „eines der wichtigsten Projekte“. Unterstützung hat er bereits von mehreren Kliniken in NRW. Neben den Chefs der Universitätskliniken in Aachen, Essen und Münster ist auch die Leiterin des Herz- und Diabeteszentrums in Bad Oeynhausen Teil des Gründungsausschusses. An allen Standorten wurde die Digitalisierung in den letzten Jahren vorangetrieben, meist aber durch Projekte, die nur für bestimmte Zeit gefördert wurden. Mit dieser „Einzelprojekteritis“ soll laut Laumann Schluss sein. Das Ziel: das „virtuelle Krankenhaus“ als einheitliche, digitale Versorgungsstruktur.