Düsseldorf. Gesundheitsminister Laumann will die Kliniklandschaft umbauen. Ein Gutachten sieht in Ballungszentren wie im Ruhrgebiet eine Überversorgung.
Die Krankenhauslandschaft in NRW steht vor einem tiefgreifenden Umbau. Während es heute eine flächendeckende Versorgung mit Kliniken gibt, sollen sich die Häuser künftig stärker auf bestimmte Angebote wie Kardiologie, Chirurgie oder Geburtshilfe spezialisieren. Damit dürften Abteilungen und auch ganze Kliniken geschlossen werden. Wie viele und an welchen Standorten genau, stehe aber nicht fest, erklärte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Donnerstag.
Laut einem neuen Gutachten zu den 340 Krankenhäusern in NRW sind das Ruhrgebiet und rheinische Großstädte wie Köln und Düsseldorf mit Kliniken überversorgt. Die Folge laut Laumann: „Doppel- und Dreifachstrukturen auf engstem Raum und zum Teil unverantwortlich niedrige Fallzahlen.“ Das bedeutet, dass manche Kliniken wegen der großen Konkurrenz zum Beispiel nur wenige Knieoperationen im Jahr durchführen. Entsprechend unerfahren sind die Mediziner dort. Auf dem Land sehen die Gutachter eine Tendenz zur Unterversorgung.
Gesundheitsminister Laumann: „Größte Reform seit Jahrzehnten“
Der Minister kündigte „die wohl größte Reform der NRW-Krankenhauslandschaft seit Jahrzehnten“ an. Nicht mehr die Belegung von Betten soll ausschlaggebend sein, sondern die Fallzahlen und die Leistungen. „Die Krankenhäuser müssen für die Patienten da sein, nicht die Patienten für die Krankenhäuser“, sagte Laumann. Es gebe weder das Geld noch die Ärzte und Pfleger, um doppelte oder dreifache Angebote in einer Region aufrecht zu halten. Dennoch werde sichergestellt, dass Patienten überall in NRW ein Krankenhaus innerhalb von 30 Minuten mit dem Auto erreichen können.
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Die Überversorgung in NRW beschere den Bürgern nicht einmal eine gute Behandlungsqualität, so die Gutachter. So gab es 2017 über 30.000 Operationen an 233 Kliniken, bei denen Prothesen für Kniegelenke eingesetzt wurden. Aber jeder zweite Eingriff erfolgte in einer Klinik, die weniger als 100 solcher Fälle im Jahr hätten. Im Schnitt sind das nur etwa zwei OP in der Woche.
Krankenhausvertreter fordern mehr Geld
„Mutiger Schritt“
Dirk Sauerland, Professor für Gesundheitspolitik an der Uni Witten, sieht Laumanns Pläne als „mutigen Schritt“ und bewertet es als positiv, dass auch die ambulante Versorgung bei der Klinikplanung berücksichtigt werden soll. Dazu könne eine kleinteiligere Planung mehr Kontrolle über Geldflüsse bringen. „Man kann genau nachhalten: Welche Investitionsgelder werden in welche Leistungsbereiche gesteckt?“
Beginnen soll die Reform aus Basis des Gutachtens nicht vor dem Jahr 2021. Erst dann laufen die Verhandlungen mit den Beteiligten vor Ort an. Bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2022 soll der Plan stehen. Und erst dann wird sich zeigen, welche Häuser was anbieten können.
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Die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) erklärte sich bereit, die Ausarbeitung des Klinikplans auf Basis des Gutachtens „ergebnisoffen“ zu begleiten. „Wir fordern aber auch die Übernahme von politischer Verantwortung ein, wenn es zu Schließungen kommt“, so KGNW-Präsident Jochen Brink. „Dann dürfen die Krankenhausträger nicht im Regen stehen.“ Brink sieht angesichts der Veränderungen außerdem die Notwendigkeit weiterer Investitionen. „Wenn die Strukturen in großem Stil umgebaut werden, müssen auch wesentlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.“
Ersatzkassen begrüßen die geplante Reform
Beim Verband der Ersatzkassen sieht man ein „Nebeneinander von Fehl-, Über- und Unterversorgung“ in NRW. Dass Laumann dies mit korrigieren will, honoriert man beim Verband. „Wir plädieren dafür, dass sich Krankenhäuser zu größeren Einheiten zusammenschließen und Leistungsangebote konzentrieren.“
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Der Ärztekammer Nordrhein dagegen ist bei der neuen Planung besonders wichtig, dass Krankenhäuser gerade in Notfallsituationen nicht weiter als 20 Minuten entfernt sein dürfen. „Wir dürfen den berechtigten Wunsch der Menschen vergessen, auch zukünftig regional versorgt werden zu können“, teilten die Ärztevertreter mit.
Und die Krankenhäuser selbst? Frank Mau, Geschäftsführer der Kliniken Essen-Mitte, hält die angepeilte Planung für eine „ausgezeichnete Idee“. Träger seien heute ohnehin verpflichtet, Schwerpunkte zu bilden, statt alle Bereiche abzudecken. Im eigenen Haus habe man sich deshalb vor einigen Jahren von der Geburtsklinik getrennt – und sich unter anderem auf die Frauenkrebsmedizin spezialisiert.