Duisburg/Essen. Stahlarbeiter von Thyssenkrupp gehen am Dienstag in Duisburg auf die Straße: Die IG Metall fordert Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro.
Mitten in der Krise von Thyssenkrupp zeigt sich die einflussreiche IG Metall tief besorgt mit Blick auf die Situation der Stahlsparte mit rund 28.000 Beschäftigten. „Wenn jetzt nichts passiert, ist das Stahlgeschäft am Ende“, warnt Stahlbetriebsratschef Tekin Nasikkol in einem Aufruf zu einer am Dienstag in Duisburg geplanten Protestkundgebung.
„Stahl braucht Investitionen, und zwar sofort. Es geht um 1,5 Milliarden Euro.“ Die müssten sofort in neue Anlagen gesteckt werden, sonst könne Thyssenkrupp Steel nicht mehr mithalten. Die Lage der Stahl-Tochter sei so schlimm wie noch nie. „Es geht um die Existenz von Stahl.“
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Für Dienstagmittag hat die IG Metall zur Großkundgebung vor der Zentrale der Thyssenkrupp-Stahlsparte in Duisburg aufgerufen. Mehrere Tausend Teilnehmer werden erwartet. Nach der Protestaktion sind Beratungen des Stahl-Aufsichtsrats von Thyssenkrupp zur Zukunft der wichtigen Konzernsparte geplant.
Stahlbereich „durch fehlende Investitionen regelrecht ausgehungert“
Der Stahlbereich sei „durch fehlende Investitionen regelrecht ausgehungert“, sagte der stellvertretende Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel, Detlef Wetzel, der die Interessen der IG Metall im Konzern vertritt, unserer Redaktion. Es gebe riesigen Handlungsbedarf, mahnt der frühere Gewerkschaftschef. „Die Zukunft der gesamten Stahlproduktion steht auf dem Spiel.“
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Im Frühjahr hatte Thyssenkrupp nach monatelangen Planungen die angestrebte Fusion mit dem indischen Stahlkonzern Tata in Europa abgeblasen. „Schon seit Mai ist klar, dass die Fusion mit Tata nicht kommt“, kritisiert Wetzel. Doch bis heute gebe es kein neues Konzept für das Geschäft mit großen Standorten in NRW, unter anderem in Duisburg, Bochum und Dortmund. Das Vorgehen des Managements sei „unverantwortlich“, sagt Wetzel.
Thyssenkrupp: Tarifvertrag zum Schutz der Beschäftigten läuft aus
Es gebe viele Fragen zur Sicherung von Standorten und Beschäftigung sowie erforderlichen Investitionen, gibt Stahl-Betriebsratschef Nasikkol zu bedenken. Ende des Jahres laufe ein Tarifvertrag zum Schutz der Beschäftigten aus.
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Thyssenkrupp hat bereits angekündigt, konzernweit rund 6000 Arbeitsplätze abzubauen, davon 2000 Stellen in der Stahlsparte. „Wir können nicht ausschließen, dass es mehr Stellen werden, die wir abbauen müssen“, erklärte die neue Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz im Gespräch mit unserer Redaktion.
In der Vergangenheit war wiederholt über Standortschließungen spekuliert worden. Dabei standen unter anderem das Bochumer Warmbandwerk und zuletzt das Grobblechwerk im Duisburger Süden im Fokus. Angesichts der Unsicherheit sagt der frühere IG Metall-Chef Wetzel: „Die Situation ist eine Zumutung für die Beschäftigten. Dass dieser Zustand seit Jahren andauert, ist ungeheuerlich. Ohne die tägliche Leistung der Beschäftigten, wäre das Unternehmen schon längst am Ende.“
Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz spricht von „schwieriger Situation“
Die neue Konzernchefin Merz räumte ein, sie könne angesichts der aktuell schwierigen Situation die Sorgen, die es bei den Beschäftigten gebe, nicht wegnehmen. „Das wäre nicht ehrlich.“ Der Druck, der auf Thyssenkrupp laste, sei groß. „Klar ist: Wir wollen den Stahl zukunftsfähig machen. Dabei haben wir immer den gesamten Produktionsverbund im Blick und treffen nicht nur isolierte Entscheidungen für einzelne Standorte.“
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Vorstandschefin Merz betonte, der Stahl habe „als Material ganz viel Zukunft“, und Thyssenkrupp habe mit den konzerneigenen Standorten, wie zum Beispiel dem Werk in Duisburg, „eine hervorragende Ausgangssituation“. Aktuell leide das Unternehmen aber unter massiven Stahlimporten aus Asien und hohen Eisenerzpreisen. Wetzel mahnt indes: „Es braucht jetzt massive Investitionen in Anlagen und Wettbewerbsfähigkeit. Die quälende Unsicherheit für die Beschäftigten muss aufhören.“ Thyssenkrupp müsse sich mit diesen Entscheidungen „endlich zum Stahl bekennen“.
Betriebsrat: Stahlsparte „wie eine Zitrone ausgepresst“
Auf der Rednerliste für die Kundgebung am Dienstag in Duisburg stehen neben Wetzel und Nasikkol unter anderem der nordrhein-westfälische IG-Metall-Chef Knut Giesler und Thyssenkrupp-Konzernbetriebsratschef Dirk Sievers.
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Bei der Demonstration wollen die Stahlkocher ein Zukunftskonzept einfordern – außerdem einen Tarifvertrag, der sie absichert. Betriebsbedingte Kündigungen dürfe es nicht geben und Standorte dürften nicht geschlossen werden. „Die Manager haben den Laden kaputtgespart. Sie haben einen Fehler nach dem anderen gemacht. Erst haben sie Milliarden in Brasilien versenkt, uns dann wie eine Zitrone ausgepresst und in den vergangenen drei Jahren die Fusion mit Tata geplant“, kritisiert Betriebsratschef Nasikkol.
Grüne wollen in Duisburg mit Stahlkochern demonstrieren
Die Grünen stellen sich demonstrativ an die Seite der Stahlarbeiter. „Wir wollen, dass der Stahlstandort NRW erhalten bleibt“, sagt Katharina Dröge, Sprecherin für Wirtschaftspolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. „Die Beschäftigten verdienen Sicherheit und Perspektiven. Dafür braucht Thyssenkrupp auch politische Unterstützung.“
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Die Umstellung auf CO2-freie Produktionsverfahren biete der deutschen Stahlindustrie die Chance auf ein innovatives Produkt. „Doch damit die Transformation gemeistert wird, braucht es politische Rahmenbedingungen, die die Unternehmen dabei unterstützen.“
Dröge fordert an dieser Stelle mehr Engagement von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (beide CDU). Auch die nordrhein-westfälische Grünen-Landesvorsitzende Mona Neubaur will in Duisburg auf die Straße gehen.