Essen. Sorge um Thyssenkrupp: Ruhrbischof Overbeck appelliert an die Konzernführung. Und Stahlbetriebsratschef Nasikkol erwägt Protestaktionen.

Angesichts der Krise von Thyssenkrupp und des geplanten Stellenabbaus hat Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck an die Konzernführung appelliert, auf betriebsbedingte Kündigungen soweit es geht zu verzichten. „Der Mensch an sich muss das Maß allen wirtschaftlichen Tuns sein“, betonte Overbeck. Er sorge sich um die Beschäftigten von Thyssenkrupp. „Ich hoffe, dass es trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten gelingt, den wohl leider notwendigen Abbau von Arbeitsplätzen auf ein Minimum zu begrenzen“, sagte der Ruhrbischof. Der Stahlbetriebsrat von Thyssenkrupp erwägt derweil Protestaktionen – womöglich bei der Hauptversammlung Anfang kommenden Jahres in Bochum.

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Der Essener Stahl- und Industriegüterkonzern hat im abgelaufenen Geschäftsjahr millionenschwere Verluste verbucht. Auch für die nächste Jahresbilanz erwartet die neue Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz abermals tiefrote Zahlen. Thyssenkrupp hatte bereits den konzernweiten Abbau von 6000 Arbeitsplätzen angekündigt, 2000 davon in der Stahlsparte. In den Hochöfen und Weiterverarbeitungswerken wirkt sich insbesondere eine rückläufige Nachfrage aus der Automobilindustrie negativ aus.

Massiver Stellenabbau in der Essener Konzernzentrale

Auch viele Beschäftigte in der Essener Konzernzentrale von Thyssenkrupp müssen sich auf Einschnitte gefasst machen. Hunderte Mitarbeiter, die mit sogenannten „zentralen Funktionen“ befasst sind, sollen ihren Job verlieren. Es steht nahezu eine Halbierung der Stellenzahl an. „Die Anzahl der knapp 800 Mitarbeitenden wird hier auf zirka 430 in den kommenden zwölf Monaten reduziert“, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns zur Jahresbilanz.

Angesichts dieser Situation erwartet der Bischof, „dass die Konzernleitung gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern möglichst sozialverträgliche Lösungen für die von drohender Arbeitslosigkeit betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sucht“, wie Overbeck erklärte. Wichtig sei in jedem Fall, dass Thyssenkrupp bei einem Verkauf von Konzernteilen wieder in den Konzern investiere, um ihn „so wieder zu einem starken und wettbewerbsfähigen Arbeitgeber für unsere Region und viele andere Orte der Welt zu machen“.

„Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein“

Ruhrbischof Overbeck verwies auf Alfred Krupp, der bereits 1873 gesagt habe: „Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein“, und auf dessen Urenkel Alfried Krupp, der dies fast 100 Jahre später konkretisiert habe: „Der Mensch an sich hat das Maß allen wirtschaftlichen Tuns zu sein.“ Overbeck betont: „Insbesondere in schwierigen Zeiten des Umbruchs erweist sich, wie ernst es einem Unternehmen mit seinen Prinzipien ist.“ Bei allen Restrukturierungen müsse „das Wohl der Belegschaft im Mittelpunkt stehen“, so Overbeck.

Thyssenkrupp-Stahlbetriebsratschef Tekin Nasikkol: „Wenn der Vorstand glaubt, die Belegschaft über Weihnachten ruhigstellen und unsere Gegenwehr mildern zu können, dann liegt er falsch.“
Thyssenkrupp-Stahlbetriebsratschef Tekin Nasikkol: „Wenn der Vorstand glaubt, die Belegschaft über Weihnachten ruhigstellen und unsere Gegenwehr mildern zu können, dann liegt er falsch.“ © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Arbeitnehmervertreter der Thyssenkrupp-Stahlsparte forderten am Freitag Klarheit für die rund 28.000 Beschäftigten des Konzernbereichs. „Seit Monaten wurde uns erzählt, dass im November die neue Stahlstrategie vorgestellt wird“, sagte Stahl-Betriebsratschef Tekin Nasikkol. „28.000 Beschäftigte an 12 Standorten haben ein Recht darauf zu erfahren, wie es mit ihnen weitergeht. „Legen Sie die Pläne für die neue Strategie auf den Tisch, schaffen Sie Transparenz und lassen Sie die Katze aus´m Sack.“ Es gebe viele Fragen zur Sicherung von Standorten und Beschäftigung sowie erforderlichen Investitionen.

Stahlbetriebsrat kritisiert „Hinhaltetaktik des Vorstandes“

Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es nur eine Gewissheit: „Ende des Jahres stehen wir ohne Schutz und ohne Tarifvertrag da – diese Unsicherheit können wir nicht akzeptieren“, betonte Nasikkol mit Blick auf einen entsprechenden Tarifvertrag, der nach der abgesagten Stahlfusion in Kraft trat.

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„An allen Standorten ist die Geduld am Ende, die Hinhaltetaktik des Vorstandes ist nicht länger auszuhalten“, kritisierte Thyssenkrupp-Betriebsrat Wilfried Stenz. „Jede Aufforderung, für mehr Sicherheit zu sorgen und den Schutz für die Kolleginnen und Kollegen zu verlängern, wurde ignoriert.“

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Nach Darstellung von Nasikkol erwägt der Stahl-Betriebsrat Protestaktionen. „Wenn der Vorstand glaubt, die Belegschaft über Weihnachten ruhigstellen und unsere Gegenwehr mildern zu können, dann liegt er falsch“, sagte er. „Die Belegschaft wird ab sofort zeigen, was sie von der derzeitigen Situation hält und im neuen Jahr geht es mit aufgeladenen Akkus weiter. Falls nötig, tragen wir den Konflikt in die Hauptversammlung der Aktionäre Ende Januar.“