Essen. Der scheidende Thyssenkrupp-Chef Kerkhoff kann auf eine Millionen-Abfindung hoffen. Anlegerschützer sehen „keinen Anlass“ für Großzügigkeit.
Zum Abschied als Thyssenkrupp-Chef winkt Guido Kerkhoff eine millionenschwere Abfindung. „Es ist zu befürchten, dass es teuer wird für das Unternehmen“, sagte Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf. „Das ist umso bitterer, weil es bereits der zweite Fall innerhalb kurzer Zeit ist.“ Erst vor etwas mehr als einem Jahr hat Kerkhoff den Vorstandsvorsitz nach dem überraschenden Rücktritt des langjährigen Konzernchefs Heinrich Hiesinger übernommen.
Hiesinger hatte laut Geschäftsbericht eine Abfindung in Höhe von etwas mehr als 4,55 Millionen Euro erhalten, zusätzlich konnte er mit Zahlungen aus Aktienprogrammen rechnen. Dabei hatte Hiesinger selbst den Anstoß zur Vertragsauflösung gegeben. Bei Kerkhoff ist es der Personalausschuss des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats, der sich für Verhandlungen über eine zeitnahe Beendigung des Vorstandsmandates ausgesprochen hat. Anstelle von Kerkhoff soll die bisherige Aufsichtsratschefin Martina Merz für eine Dauer von maximal zwölf Monaten als Vorsitzende in den Vorstand entsandt werden.
„Es ist ein seltsamer Vorgang“
Anlegerschützer Hechtfischer sieht die Vorgänge kritisch. „Es ist ein seltsamer Vorgang, den Vorstandschef zu feuern, ohne etwas an der Strategie zu ändern“, sagte Hechtfischer im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich kann nicht erkennen, was der Rauswurf besser machen soll.
Dass Kerkhoff seinen Posten lange vor Ablauf seines Fünf-Jahres-Vertrags räumen soll, begründet die IG Metall mit anhaltender Erfolglosigkeit des Top-Managers. „Kerkhoff ist ein guter Trainer, der zu lange kein Spiel mehr gewonnen hat“, sagte Markus Grolms, der die Interessen der Gewerkschaft bei Thyssenkrupp als stellvertretender Aufsichtsratschef vertritt, unserer Redaktion. Grolms ist auch Mitglied im Personalausschuss, der die Vertragsauflösung empfohlen hat.
Thyssenkrupp schreibt rote Zahlen
Derzeit schreibt Thyssenkrupp wieder rote Zahlen. Seit seinem Amtsantritt musste Kerkhoff drei Mal die Gewinnprognosen nach unten korrigieren. Neben der Stahlfusion begrub er auch die Pläne für eine Zweiteilung des Unternehmens. Stattdessen steht nun eine harte Sanierung an. 6000 Arbeitsplätze sollen abgebaut werden, wovon bis zu 2000 Stellen auf den Stahlbereich entfallen. Mit Blick auf den Abschied von Kerkhoff sagte Aktionärsschützer Hechtfischer: „Für großzügige Abfindungen gibt es angesichts der aktuellen Lage keinen Anlass.“
1,34 Millionen Euro waren in der Thyssenkrupp-Bilanz 2017/18 als Festgehalt für den Vorstandschef angegeben, weitere Vergütungsbestandteile kommen hinzu. Im besagten Geschäftsjahr waren Hiesinger rund 4,57 Millionen Euro zugeflossen. Die Höhe des Chefgehalts von Kerkhoff ist bislang nicht öffentlich bekannt. Abfindungen für Vorstandsmitglieder von Thyssenkrupp sind dem Geschäftsbericht zufolge auf maximal zwei Jahresvergütungen begrenzt.
Millionenschwere Zusagen für die Altersversorgung
Zu den Vergütungen oder etwaigen Abfindungen kommen Zusagen für die Altersversorgung der Vorstandsmitglieder. Der derzeit aktuellsten Thyssenkrupp-Jahresbilanz lässt sich entnehmen, dass die Pensionszusagen für Kerkhoff bereits im Geschäftsjahr 2017/18 einen Barwert von mehr als 9,7 Millionen Euro erreicht haben, wenn internationale Rechnungslegungsstandards zugrunde gelegt werden. Für Kerkhoffs Vorgänger Heinrich Hiesinger lag dieser Wert bei rund 19,6 Millionen Euro.
Die Entscheidungen zum Führungswechsel bei Thyssenkrupp muss der Aufsichtsrat in Unterzahl treffen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr zieht sich zurück, da Martina Merz auch im Aufsichtsrat seines Konzerns vertreten ist. Sowohl für Merz als auch für Spohr müssen Nachfolger gefunden werden.
Spohr gehörte dem Thyssenkrupp-Aufsichtsrat seit 2013 an. Mit seiner Niederlegung ermögliche er, dass Martina Merz nach Zustimmung des Aufsichtsrats zur Vorstandschefin von Thyssenkrupp berufen werden und gleichzeitig im Lufthansa-Aufsichtsrat verbleiben kann. Eine „Überkreuzverflechtung“ solle vermieden werden.