Essen. Harte Sanierung bei Thyssenkrupp: Konzernchef Kerkhoff will „die Geschäfte stabilisieren“. Im Fokus steht auch der Standort Duisburg-Hüttenheim.
Als sich Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff am Donnerstagmorgen per Telefonkonferenz zu Wort meldet, wird schnell klar, dass die Lage ernst ist. In aller Frühe hat das Unternehmen die aktuelle Zwischenbilanz veröffentlicht – mit tiefroten Zahlen. Zum dritten Mal in seiner einjährigen Amtszeit muss Kerkhoff die Gewinnprognose nach unten korrigieren.
Thyssenkrupp stand ohnehin schon unter Druck, hinzu kommt nun die konjunkturelle Abkühlung. Kerkhoff listet die Probleme auf: „Die Autokonjunktur schwächelt.“ Die für die Stahlindustrie wichtigen Erzpreise befinden sich trotz schwacher Nachfrage auf einem sehr hohen Niveau. „Globale Handelskonflikte erschweren die Situation zusätzlich.“ Dies hat in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres zu einem Nettoverlust des Konzerns in Höhe von 207 Millionen Euro geführt – nach einem Nettogewinn von 189 Millionen Euro im Vergleichszeitraum. Die Stahlsparte, die nach der gescheiterten Fusion im Zentrum der Strategie von Thyssenkrupp steht, verzeichnet einen Gewinneinbruch.
Betriebsbedingte Kündigungen „als letztes Mittel“
Es gehe nun darum, die Geschäfte „zu stabilisieren“, sagt Kerkhoff. „Wir müssen uns in die Lage versetzen, dauerhaft Geld zu verdienen.“ Thyssenkrupp hat bereits angekündigt, 6000 Stellen abzubauen, wovon bis zu 2000 Stellen auf den Stahlbereich entfallen. Auch in der Essener Konzernzentrale sollen die Kosten deutlich sinken. Betriebsbedingte Kündigungen wolle der Konzern vermeiden, sie seien aber „als letztes Mittel“ möglich, sagt Kerkhoff.
Besonderen Handlungsbedarf gibt es nach Darstellung von Kerkhoff in drei Geschäftsbereichen: Federn und Stabilisatoren (Fahrwerkskomponenten für die Autoindustrie, 3600 Mitarbeiter), System Engineering (Bau von Produktionsanlagen für die Autoindustrie, 4700 Mitarbeiter) und Grobblech (Stahlbleche für den Bau, Schiffe oder Pipelines). Damit geht es auch um große Standorte in NRW. Das Grobblech-Werk mit 800 Mitarbeitern befindet sich in Duisburg-Hüttenheim. Zum Geschäft mit Federn und Stabilisatoren gehören Betriebe in Hagen und Olpe mit mehreren Hundert Jobs.
Mehrere Werke auf dem Prüfstand
„Für dieses Portfolio gilt: Entweder gelingt uns jetzt die Sanierung, oder wir werden uns ernsthaft die Frage stellen, ob wir diese Geschäfte sinnvoll im Konzern weiterführen können“, sagt Kerkhoff. „Wir sehen zwar Chancen für eine Weiterentwicklung, aber nicht notwendigerweise unter dem Dach von Thyssenkrupp. Was es jedenfalls nicht mehr geben wird, ist, dass Geschäfte ohne klare Perspektive dauerhaft Geld verbrennen und damit Wert vernichten, den andere Bereiche erwirtschaftet haben.“
Geld in die Kasse soll durch die Aufzugsparte (Elevator) kommen, die als Tafelsilber von Thyssenkrupp gilt. Die Vorbereitungen für einen Börsengang laufen nach Angaben des Konzerns nach Plan. Je nach Kapitalmarktumfeld strebt Thyssenkrupp einen Börsengang im Laufe des Geschäftsjahres 2019/2020 an, wobei der Konzern die Mehrheit der Anteile behalten will.
Auch Finanzinvestoren schielen auf die Aufzug-Sparte
Als potenzielle Käufer kommen aber auch Konkurrenten wie der Aufzugkonzern Kone in Betracht. Mit der Sparte, deren Wert auf bis zu 14 Milliarden Euro geschätzt wird, liebäugeln nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters zudem Finanzinvestoren wie KKR, Advent oder CVC. Kerkhoff erklärt dazu: „Wir bereiten den Börsengang für Elevator vor, prüfen aber auch die vorliegenden Interessensbekundungen potenzieller Interessenten.“
Der Aufsichtsrat stehe weiter hinter der Strategie, sagt Kerkhoff auf Nachfrage eines Journalisten. „Da gibt es nichts Neues.“ Im Zusammenhang mit dem Abschied von Vorstandsmitglied Donatus Kaufmann hat Aufsichtsratschefin Martina Merz erklärt, es komme jetzt darauf an, dass der verbleibende Vorstand um Kerkhoff „mit gleichbleibend großem Einsatz den Veränderungsprozess des Unternehmens“ weiter gestalte. „Wir als Aufsichtsrat begleiten diesen Prozess und stehen dem Vorstand dabei zur Seite.“ Es sind Sätze, die sich als klares Bekenntnis zu Kerkhoff deuten lassen.