Bochum. . Bei der Thyssenkrupp-Hauptversammlung wirbt Vorstandschef Kerkhoff eindringlich für die Konzernteilung. Doch Aktionäre haben kritische Fragen.
Bevor die Hauptversammlung beginnt, ist die Bühne geprägt von Gruppenbildern. Einträchtig zeigen sich die designierte Aufsichtsratschefin Martina Merz, Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather und Vorstandschef Guido Kerkhoff. Auch der gesamte Vorstand lässt sich gerne fotografieren. Nach einem wilden Jahr demonstriert die Führungsmannschaft von Thyssenkrupp Geschlossenheit.
In seiner Rede vor den Aktionären in Bochum betont Kerkhoff vor der geplanten Spaltung des Konzerns, was Thyssenkrupp verbindet. Er spricht über die starken Wurzeln des Unternehmens im Ruhrgebiet, erwähnt Essen, Duisburg, Bochum und Dortmund. „Wir bleiben Thyssenkrupp“, sagt Kerkhoff – und doch lautet ein Schlüsselsatz in seiner Rede: „Getrennt sind wir stärker.“
Thyssenkrupp steht vor einer Zäsur. Aus einem Unternehmen sollen zwei werden. „Wir ermöglichen den Geschäften so, sich schneller und dynamischer zu entwickeln“, sagt Kerkhoff. Zwar werden schon in Kürze die Grundlagen für die Teilung gelegt, doch erst für die Hauptversammlung im nächsten Jahr ist die Abstimmung der Aktionäre zur Neuaufstellung geplant.
Aktienkurs zuletzt unter Druck
Kerkhoff wird noch Überzeugungsarbeit leisten müssen, um die Investoren von seinen Plänen zu überzeugen. „Mit der Aufspaltung in ein Werkstoffgeschäft und ein Industriegütergeschäft und dem Glauben daran, dass dadurch alles von allein besser wird, ist es nicht getan“, gibt Winfried Mathes von der Sparkassen-Tochter Deka zu bedenken. „Das zeigt auch die jüngste Aktienkursentwicklung. Lag der Kurs der Thyssenkrupp-Aktie bei Ankündigung der Aufspaltung bei 21 Euro, so dümpelt er heute bei 16 Euro herum.“ Die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens, mahnt Mathes, sei „das Hauptthema“.
Es geht um Zehntausende Arbeitsplätze, viele davon im Ruhrgebiet. Der eine Thyssenkrupp-Konzern soll den Beinamen Materials tragen und rund 40.000 Menschen aus den Bereichen Stahl, Werkstoffhandel und Marine beschäftigten. Der zweite Konzern heißt künftig Thyssenkrupp Industrials und verbindet die Geschäfte rund um Aufzüge, Autoteile und Anlagenbau mit etwa 90.000 Mitarbeitern.
„Wann rechnet sich das?“
Daniel Vos von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) äußert sich kritisch zur geplanten Spaltung des Konzerns. Sie sei „aus der Not geboren“ – und der Trend zur Aufteilung von Unternehmen eine „Modeerscheinung“. Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) thematisiert die hohen Kosten für die Spaltung, die auf rund 800 Millionen Euro geschätzt werden – insbesondere Steuern und Beraterhonorare. „Wann rechnet sich das und wieso rechnet sich das?“, fragt Hechtfischer.
Auch die Ausgestaltung der Konzernspaltung wirft nach Ansicht von Deka-Manager Mathes Fragen auf. Zwar sollen die bisherigen Eigentümer zu 100 Prozent Aktionäre an Materials bleiben, ihre Anteile an Industrials schrumpfen indes, denn ein Minderheitsanteil der Industrials-Aktien soll dem Materials-Konzern gehören. „Wieso erhalten wir Thyssenkrupp-Aktionäre nicht umgekehrt 100 Prozent der Aktien von Thyssenkrupp Industrials?“, fragt Mathes.
Kritik gibt es auch an der Abfindung für den langjährigen Vorstandschef Heinrich Hiesinger. „Trotz aller Verdienste für das Unternehmen finden wir die Abfindung von 4,5 Millionen Euro für Herrn Hiesinger inakzeptabel, der immerhin auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand ausscheidet“, sagt Mathes. Der scheidende Aufsichtsratschef Bernhard Pellens würdigt indes Hiesingers Verdienste.
Wie in einer Seifenoper
Viele Aktionäre gehen vor allem mit den Thyssenkrupp-Kontrolleuren hart ins Gericht. Nach dem überraschenden Rückzug des langjährigen Gremienchefs Ulrich Lehner im vergangenen Jahr hat es monatelang Personalquerelen gegeben. Mit Indiskretionen sei dem Konzern geschadet worden, kritisiert ein Aktionär. Deka-Manager Mathes vergleicht die Vorgänge mit einer Seifenoper.
Hoffnungen ruhen auf der neuen Aufsichtsratschefin Martina Merz, die bereits in Kontrollgremien von Konzernen wie Lufthansa und Volvo vertreten ist. Sie genießt das Vertrauen der Großaktionäre Krupp-Stiftung und Cevian. Einige Redner in Bochum begrüßen Martina Merz mit der Forderung, sie solle Mandate bei anderen Unternehmen aufgeben – damit sie mehr Zeit für Thyssenkrupp hat.