Essen. Die Bundesregierung will Glyphosat ab 2023 in Deutschland verbieten, um Bienen und Pflanzen zu schützen. Kritik von Bayer und Bauernverband.
Der Bayer-Konzern und reagiert mit Kritik auf das von der Bundesregierung beschlossene Glyphosat-Verbot. Das Kabinett hat am Mittwoch einen Entwurf verabschiedet, der die Anwendung des umstrittenen Unkrautmittels in Deutschland zum 31. Dezember 2023 verbietet. Das ist Teil des „Aktionsprogramms Insektenschutz“ von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD).
Der Agrarchemiekonzern Bayer, dessen Tochter Monsanto mit Roundup das meistgenutzte glyphosathaltige Herbizid herstellt, kritisiert das Verbot als eine „Vorfestlegung“, die dem europäischen Zulassungsverfahren vorgreife, das 2022 erneut ansteht. Auch Bauernverbände kritisieren das Verbot. Der Rheinische Landwirtschaftsverband spricht von einem politischen Symbol.
Glyphosat tötet Unkraut und so ziemlich alle anderen Pflanzen ab, mit Ausnahme des ebenfalls von Monsanto entwickelten Saatguts, das gegen Glyphosat resistent ist. Das ermöglicht den Landwirten deutlich höhere Erträge etwa beim Getreideanbau. Naturschützer machen das Mittel, das auch im Garten- und Landschaftsbau genutzt wird, allerdings mitverantwortlich für das Insektensterben und die schwindende Artenvielfalt.
Prozesswelle in den USA
In den USA läuft zudem eine Prozesswelle gegen Monsanto, weil Glyphosat auch im Verdacht steht, beim Menschen Krebs auslösen zu können. Die ersten an Krebs erkrankten Kläger, die Glyphosat etwa als Platzwart regelmäßig gespritzt haben, haben sämtlich recht bekommen. Bayer setzt auf die nächsten Instanzen, hat zuletzt aber auch einen Vergleich nicht ausgeschlossen.
In der EU ist Glyphosat noch bis Ende 2022 zugelassen, über eine Verlängerung soll zuvor entschieden werden. Österreich hat in einem nationalen Alleingang bereits ein Verbot für den Unkrautvernichter beschlossen. Nun zieht Deutschland nach, will die Zulassung mit der aktuell gültigen EU-Zulassung auslaufen lassen, die inklusive Übergangsfrist noch bis 2023 gereicht hätte. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hätte Glyphosat gern früher verboten, hatte sich darüber und über das Wie aber lange mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) gestritten.
Nun gibt es allerdings Einigkeit vor allem darüber, bereits ab 2020 den Einsatz von Glyphosat schrittweise und deutlich einzuschränken. Geplant ist unter anderem ein Verbot für Haus- und Kleingärten, öffentliche Flächen wie Parks, sowie Einschränkungen für Bauern, darunter ein Verbot der Anwendung vor der Ernte. Das soll etwa drei Viertel der in Deutschland verwendeten Menge vermeiden.
Bayer beharrt auf Unbedenklichkeit
Bayer reagierte enttäuscht: „Wir sehen die Entscheidung der Bundesregierung kritisch“, sagte das für die Agrarchemie zuständige Vorstandsmitglied Liam Condon. Und: „Der Beschluss ignoriert das seit Jahrzehnten bestehende wissenschaftliche Urteil unabhängiger Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt, dass Glyphosat bei ordnungsgemäßer Anwendung sicher ist.” Bayer zitiert stets etliche Studien, welche Glyphosat Unbedenklichkeit bescheinigen und betont, dass es praktisch weltweit zugelassen sei.
Auch greife die Bundesregierung dem Wiederzulassungsverfahren der EU vor, das 2022 stattfinden soll. Ein Verbot, ohne die Ergebnisse „einer solchen gründlichen Bewertung durch diese EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abzuwarten“, werde „das Vertrauen in ein wissenschaftliches und regelbasiertes Zulassungsverfahren aushöhlen“, so Bayer.
Erwartetes Verbot – Aktie legt sogar zu
Gleichzeitig bemühte sich Bayer, die geschäftlichen Auswirkungen als gering darzustellen. So verkaufe Bayer nur zehn Prozent seiner Glyphosat-Mittel in Europa. Selbst in der Agrarchemie mache Glyphosat nur fünf Prozent des Gesamtumsatzes aus. Tatsächlich haben die Märkte mit einem solchen Schritt offenbar gerechnet, die Bayer-Aktie legte im Dax bis zum frühen Nachmittag sogar zu.
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Der Rheinische Landwirtschaftsverband kritisiert, dass „beim Thema Pflanzenschutz nur schwer eine sachliche Diskussion zu führen“ sei. Denn: „Glyphosat ist zum Symbol dieser Politik geworden.“ RLV-Sprecherin Andrea Hornfischer sagte, es sei wichtig, „dass wir im Zuge der Umsetzung der angekündigten Insektenschutz- und Ackerbaustrategie zu einer sachlichen Bewertung von Nutzen und Risiko kommen.“
Landwirte: Keine gleichwertige Alternative zu Glyphosat
Konventionelle Ackerbauern spritzen das Mittel in der Regel zwischen der Ernte und der neuen Aussaat auf die Felder, um sie bis auf Weiteres von unerwünschtem Kraut zu befreien. Das anschließend ausgebrachte Saatgut ist immun gegen das Gift, weshalb es weitgehend ungestört wachsen kann. Biobauern ernten deutlich weniger Getreide je Hektar, das entsprechend teurer wird. Noch gebe es für den konventionellen Anbau keine gleichwertigen Alternativen zu Glyphosat, heißt es aus den Bauernverbänden. Müsse man etwa die Felder wieder pflügen, was kaum noch ein Landwirt mache, führe das wieder zu größeren Erosionen in den Böden.
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Die große Koalition hat sich den Schutz von Bienen und anderen Insekten, die unter anderem von einer intensiven Landwirtschaft bedroht sind, auf die Fahnen geschrieben. Sie will den Einsatz von Unkraut- und Schädlingsgiften insgesamt stark einschränken. Unkrautbekämpfungsmittel sowie Insektengifte, die der biologischen Vielfalt schaden, sollen am 2021 in Naturschutzgebieten und anderen geschützten Zonen tabu sein, etwa an Naturdenkmälern oder in Nationalparks.
Die Bundesländer sollen darüber hinaus für den Insektenschutz besonders wichtige Vogelschutzgebiete festlegen können, in denen die gleichen Regeln gelten. Ausnahmen müssen die Naturschutzbehörden genehmigen. Zwischen den Anwendungsgebieten und Gewässern müssen künftig fünf Meter Abstand sein, wenn der Gewässerrand dauerhaft begrünt ist, sonst sogar zehn Meter. Umweltministerin Schulze sprach von einem „starken und wirksamen Aktionsprogramm“ gegen das dramatische Insektensterben. „Wir wollen fördern, was Insekten nützt, und vermeiden, was Insekten schadet.“
NRW-Ministerin: Brauchen Alternativen zu Glyphosat
NRW-Agrar- und Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) begrüßte insbesondere das Verbot von Glyphosat für den Privatgebrauch. Zurückhaltender äußerte sie sich zum geplanten Gesamtverbot: Es sei „dann sinnvoll, wenn es ausreichend Alternativen für den Pflanzenschutz gibt“, sagte sie dieser Redaktion – und forderte: „Wenn es über 2023 hinaus keine weitere Genehmigung geben soll, müssen bis dahin Alternativen bestehen.“ Wenn es etwa um die Bekämpfung von giftigen Pflanzen wie die Herkulesstaude oder das Jakobkreuzkraut gehe, sei „die gezielte Anwendung von Glyphosat mangels Alternativen weiterhin sinnvoll.“ Straßen NRW nutzt es etwa an den Autobahn-Randstreifen.
Heinen-Esser warnte zugleich davor, die Diskussion zum Insektenschutz auf Pflanzenschutzmittel zu beschränken. „Neben den Folgen des Klimawandels stellt der Verlust der biologischen Vielfalt gegenwärtig die größte ökologische, aber auch ökonomische Bedrohung dar“, sagte sie. Die Gründe dafür seien vielfältig, Biodiversität ein Gemeinschaftsprojekt. So müsse es auch darum gehen, weg von Steingärten hin zu blühenden Gärten zu kommen, grüne Infrastruktur auszubauen, Lichtverschmutzung zu reduzieren und Blühstreifen in der Landwirtschaft auszuweiten.