Essen. Bauernverbände laufen Sturm gegen die Pläne der Bundesregierung. Vor allem die Umschichtung von EU-Geldern in den Naturschutz bedrohe Existenzen.

Neben dem Glyphosat-Verbot hat das Bundeskabinett weitere Vorhaben abgesegnet, mit denen sie die konventionellen Landwirte gegen sich aufbringt, darunter das Tierwohl-Label, vor allem aber eine Umschichtung der EU-Hilfen in den Naturschutz. Das Gesamtpaket nannte Bauernpräsident Joachim Rukwied eine „agrarpolitische Fehlentscheidung“, weil „für die Landwirte toxisch“. Der Rheinische Landwirtschaftsverband sieht viele Betriebe gar in ihrer Existenz bedroht.

Grob formuliert sollen aus der EU-Agrarförderung weniger Geld direkt an die Höfe fließen und dafür mehr in Naturschutzmaßnahmen durch die Landwirte. Bisher wurden so 4,5 Prozent der Gelder abgezweigt, 2020 sollen es sechs Prozent sein. Damit stünden 75 Millionen Euro mehr für den Umweltschutz bereit, sagte Agrarministerin Julia Klöckner (CDU). Wenn Landwirte diese Mittel nutzten, könnten 90 Prozent der umgelenkten Gelder wieder zu ihnen zurückfließen.

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Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die Umschichtung als zu gering, den Bauernverbänden geht sie viel zu weit. Den Vorschlag, mehr Mittel in der laufenden Förderperiode umzuschichten, sieht der Rheinische Landwirtschaftsverband (RLV) „mehr als kritisch“. Ebenso die neuen Auflagen in der Tierhaltung, beim Pflanzenschutz und der Flächennutzung. „Es dürfen nicht über das gültige Fachrecht hinaus Auflagen gemacht werden. Das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der rheinischen Landwirte“, heißt es in einer Reaktion des RLV. Langfristig sorge das dafür, „dass die Landwirtschaft in Deutschland nicht mehr bezahlbar und nicht mehr möglich ist“. Der Verband fordert NRW-Agrarministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) und die anderen Bundesländer auf, der noch notwendigen Änderung des Direktzahlung-Gesetzes nicht zuzustimmen.

Landwirte sehen sich insgesamt überfordert

Auf importierte Ware und die ausländischen Standards hätten die deutschen Politiker schließlich keinen Einfluss, hiesige Bauern seien im Wettbewerb damit klar im Nachteil, heißt es. Die Landwirte sehen durch die Ballung neuer Vorschriften ihre Kosten explodieren. Sie sehen sich mit neuer Gülleverordnung, neuen Auflagen in der Tierhaltung und den nun geplanten Einschränkungen beim Pflanzenschutz insgesamt überfordert.

Für das staatliche Tierwohl-Logo beschloss das Kabinett einen Gesetzentwurf, der die Rahmenbedingungen regelt. Supermarktkunden sollen daran bald Schweinefleisch aus besserer Haltung erkennen können. Bauern können es freiwillig nutzen, müssen dann aber verbindliche Kriterien wie mehr Platz im Stall einhalten. Geplant sind drei Stufen mit jeweils steigenden Anforderungen, die über den gesetzlichen Anforderungen liegen. Vorgesehen sind regelmäßige Kontrollen und bei Verstößen Sanktionen bis hin zu Gefängnisstrafen.

Europäisches Tierwohl-Label gefordert

Klöckner sprach von einem Angebot an Tierhalter und Verbraucher, die mehr Klarheit bekämen. Umstritten bleibt die Freiwilligkeit des Tierwohl-Labels. Zudem haben mehrere große Lebensmittelhändler bereits eigene Tierwohl-Label entwickelt und etabliert. Schweinezüchter befürchten dagegen, sich dem Label schwer entziehen, die höheren Kosten aber nicht weitergeben zu können. Der Deutschen Raiffeisenverband fordert für mehr Wettbewerbsgerechtigkeit eine „europaweit harmonisierte Tierwohlkennzeichnung“.