Duisburg. Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff sucht das Gespräch zu Fridays For Future. Ein Treffen in Duisburg ist für beide Seiten eine Gratwanderung.

Ragna Diederichs und Sebastian Grieme sind mit Rucksäcken und per Bahn nach Duisburg zu Thyssenkrupp gereist. Konzernchef Guido Kerkhoff hat die Aktivisten der Klimaschutz-Bewegung Fridays For Future eingeladen – nach ihrer Kritik an den CO2-Einsparzielen des Stahlkonzerns. „Auch wir arbeiten hart daran, Emissionen einzusparen, was beim Stahl gar nicht so einfach ist“, schrieb Kerkhoff vor wenigen Wochen über den Kurznachrichtendienst Twitter. „Wollen Sie sich davon selbst überzeugen?“ Diederichs und Grieme nahmen die Einladung zum Gespräch an – und reisten nun auf eigene Kosten an.

„Wir schlagen kein Gesprächsangebot aus“, sagt Grieme, ein 19-jährige Physikstudent aus Potsdam. Die 18-jährige Ragna Diederichs, die gerade ihr Abitur gemacht hat, ist aus Göttingen ins Ruhrgebiet gekommen. Für alle Beteiligten ist das Treffen in der Zentrale von Thyssenkrupp Steel in Duisburg eine Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz. Eine Stunde lang tauschen sich Diederichs und Grieme am Freitag mit Kerkhoff aus. Danach ist klar: In manchen Punkten gibt es Übereinstimmungen, an vielen Stellen aber unterschiedliche Positionen.

Thyssenkrupp will bis 2050 klimaneutral sein

„Ich habe das Gefühl, dass es ein ehrliches und offenes Gespräch war“, sagt Ragna Diederichs nach ihrer Begegnung mit dem Thyssenkrupp-Chef, und Sebastian Grieme spricht von einem „guten Dialog“. Kerkhoff erklärt via Twitter: „Immer besser, miteinander zu reden als übereinander.“ Das Ziel – eine klimaneutrale Industrie – sei klar. „An den Rahmenbedingungen gilt es zu arbeiten“, betont der Thyssenkrupp-Chef.

Konzernchef Guido Kerkhoff (links) und Thyssenkrupp-Manager Arnd Köfler (rechts) im Gespräch mit Ragna Diederichs und Sebastian Grieme.
Konzernchef Guido Kerkhoff (links) und Thyssenkrupp-Manager Arnd Köfler (rechts) im Gespräch mit Ragna Diederichs und Sebastian Grieme. © Twitter | @guido_kerkhoff

Bislang gehört die Stahlindustrie zu den großen Emittenten des Klimagases Kohlendioxid. Allein bei Thyssenkrupp fallen derzeit pro Jahr etwa 24 Millionen Tonnen Kohlendioxid an. Der Revierkonzern hat sich unlängst das Ziel gesetzt, die Emissionen aus eigener Produktion und eingekaufter Energie bis zum Jahr 2030 um rund 30 Prozent zu verringern. Ab 2050 will Thyssenkrupp klimaneutral sein, also in Summe keine Emissionen mehr verursachen. Statt Kohle soll in der Stahlproduktion zunehmend Wasserstoff zu Einsatz kommen. Später könnten die klassischen Hochöfen komplett durch sogenannte Direktreduktionsanlagen auf Basis von Wasserstoff ersetzt werden. Dafür wären aber milliardenschwere Investitionen erforderlich.

„Das Problem ist das Tempo“, sagt Grieme mit Blick auf die geplanten Veränderungen bei Thyssenkrupp. Deutschland müsse bereits im Jahr 2035 klimaneutral sein, der Stahlkonzern plane dies aber erst für 2050. Grieme verweist in diesem Zusammenhang auf das Pariser Klimaschutz-Abkommen, das vorsieht, den Anstieg der globalen Temperatur bei weniger als 1,5 Grad zu stoppen. Ragna Diederichs sagt, sie habe den Eindruck, Thyssenkrupp wolle „wirklich raus aus der Kohle“, „aber es geht noch nicht schnell genug“.

„Unser Ziel ist nicht, die Industrie platt zu machen“

Es werde immer klarer, dass die Technologien für Klimaneutralität schon vorhanden oder im Kommen seien, sagt Sebastian Grieme. Daher sei nun die Politik gefragt, Anreize zu setzen, damit es ein Wettrennen dazu gebe, wer am schnellsten Wasserstoff einsetze. „Unser Ziel ist nicht, die Industrie platt zu machen“, betont der Aktivist von Fridays For Future. Schon aus eigenem Interesse sollten die Unternehmen den Wandel hin zu einer klimaneutralen Produktion schnell vorantreiben. „Eine weitere Erwärmung hätte auch für die Weltwirtschaft dramatische Konsequenzen.“

Sie sei zwar „traurig darüber“, dass Thyssenkrupp als Unternehmen „noch nicht Paris-kompatibel“ sei, sagt Ragna Diederichs, zugleich lobt sie aber die Gesprächsatmosphäre beim Treffen mit Konzernchef Kerkhoff. „Ich glaube“, sagt Diederichs, „dass wir ihn auch manchmal zum Nachdenken gebracht haben“.