Essen. Nach Querschüssen aus dem Aufsichtsrat zeigt sich Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff kämpferisch. Weglaufen sei ihm „zu einfach“, sagt er.
Querschüsse aus dem Aufsichtsrat? Bei diesem Thema wird Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff emotional. „Wissen Sie, mich totzuschreiben ist nicht besonders schwer, das kann ich sogar selber“, sagt er und schickt im Interview mit dem „Spiegel“ auch gleich einen lockeren Formulierungsvorschlag hinterher: „Der Kerl ist schon acht Jahre da, hat den Umschwung nicht geschafft und alle alten Entscheidungen mitgetragen, dazu ist er ein trockener Finanzer, und jetzt muss er schon wieder die Strategie ändern.“ Ob die Beschreibung denn falsch sei, haken die Journalisten nach. Er versuche, „Perspektiven aufzuzeigen“, antwortet Kerkhoff, „und wenn man mich nicht mehr will, dann soll man mir das sagen“.
Kerkhoff zeigt sich kämpferisch und reagiert ungewöhnlich offen auf Spekulationen der vergangenen Tage. So hat unter anderem die angesehene Börsen-Zeitung berichtet, „ein Teil des Aufsichtsrats“ habe bereits ergebnislos über eine Ablösung des amtierenden Vorstandschefs von Thyssenkrupp diskutiert. „Der Job macht mir Spaß, ich bin motiviert“, sagt Kerkhoff nun. „Aber ich brauche keinen CEO-Posten in meinem Leben. Ich habe mir meine Unabhängigkeit erhalten, und die ist mir wichtig. Es gibt einen Guido Kerkhoff auch außerhalb von Thyssenkrupp.“
Druck auf Kerkhoff massiv gestiegen
Seit etwas mehr als einem Jahr steht der langjährige Finanzchef an der Spitze des Essener Traditionskonzerns. Als sein Vorgänger Heinrich Hiesinger unter dem Druck aggressiver Investoren überraschend den Rückzug antrat, sprang Kerkhoff ein – zunächst als Interims-Chef, später ausgestattet mit einem Fünf-Jahres-Vertrag.
Der Druck war von Anfang an groß – und ist im Laufe der Monate weiter gestiegen. Seit seinem Amtsantritt korrigierte der 51-jährige Manager schon drei Mal die Gewinnprognosen. Neben der Stahlfusion musste Kerkhoff auch die Pläne für eine Zweiteilung des Unternehmens begraben. Stattdessen steht nun eine harte Sanierung an, und ein Börsengang der Aufzugsparte, die als Tafelsilber des Konzerns gilt, soll Geld in die Kasse bringen. Sogar über einen Komplettverkauf des zukunftsträchtigen Bereichs wird spekuliert.
„Ich will mich der Verantwortung stellen“
„Natürlich kann man in schwierigen Situationen einfach weglaufen“, sagt Kerkhoff, als er im „Spiegel“-Interview auf Kritik aus dem Aufsichtsrat angesprochen wird. „Aber das ist zu einfach. Ich will mich der Verantwortung stellen.“ Als Hiesinger und kurz darauf auch der damalige Aufsichtsratschef Ulrich Lehner das Unternehmen verließen, war in ihrem Umfeld von mangelnder Unterstützung des Ankeraktionärs Krupp-Stiftung die Rede. Auf Distanz zum Großaktionär Cevian befanden sich die Manager ohnehin.
Bei einer Telefonkonferenz sagte Kerkhoff vor wenigen Tagen auf Nachfrage eines Journalisten, der Aufsichtsrat stehe weiter hinter seiner Strategie. „Da gibt es nichts Neues.“ Im Zusammenhang mit dem Abschied von Vorstandsmitglied Donatus Kaufmann betonte Aufsichtsratschefin Martina Merz, für Thyssenkrupp komme es jetzt darauf an, „dass der verbleibende Vorstand um Guido Kerkhoff mit gleichbleibend großem Einsatz den Veränderungsprozess des Unternehmens weiter gestaltet“. Der Aufsichtsrat stehe dem Vorstand „dabei zur Seite“. Es sind Sätze, die sich als Bekenntnis zu Kerkhoff lesen lassen.
Aufsichtsratsmitglieder im Sommerurlaub
Wichtige Aufsichtsratsmitglieder sind dieser Tage im Sommerurlaub. Ein Thyssenkrupp-Kontrolleur, der erreichbar ist, äußert sich auf Anfrage positiv zu Kerkhoff: „Alle Beteiligten können froh sein, dass er an Bord bleibt.“
Als sein Vorgänger Hiesinger im vergangenen Jahr gegangen sei, habe er sich „natürlich gefragt“, ob er diesen Job machen solle, erzählt Kerkhoff im „Spiegel“-Interview. „Ich bin zum Aufsichtsrat gegangen und habe gesagt, das ist mein Plan. Meine Bedingung war, dass ich ein einstimmiges Votum erhalte. Das habe ich bekommen.“ Deshalb habe er sich der Verantwortung gestellt und einen Weg vorgeschlagen – die zunächst geplante Zweiteilung von Thyssenkrupp.
„Niemand hat ein Patentrezept“
„Es kann auch ein Zeichen der Stärke sein, nicht stur an seiner Meinung festzuhalten“, verteidigt sich Kerkhoff mit Blick auf die Absage des Vorhabens. „Ich fand es richtig, möglichst früh die Reißleine zu ziehen, anstatt noch mehr Geld zu verbrennen, mit großem Knall gegen die Wand zu fahren und mich dann vom Acker zu machen.“ Er habe sich „der Situation gestellt und auch dafür die volle Unterstützung des Aufsichtsrates bekommen“, so Kerkhoff. „Das ist übrigens prägend für unsere Situation. Alle finden die Lage schlimm, aber niemand hat ein Patentrezept.“
Wie es nun weitergeht bei Thyssenkrupp? „Wir müssen uns darauf konzentrieren, Stück für Stück zu liefern“, sagt Kerkhoff. „Das klingt jetzt nicht aufregend. Aber nennen Sie mir eine Alternative – ich kenne keine.“