Essen. Altkanzler Schröder und Ministerpräsident Laschet haben bei einer Trauerfeier im Essener Münster die Verdienste von Werner Müller gewürdigt.
In einer bewegenden Trauerfeier haben seine Familie und Wegbegleiter im Essener Münster Abschied vom früheren Bundeswirtschaftsminister Werner Müller genommen. Altkanzler Gerhard Schröder würdigte Müller als „Visionär und Gestalter“. Er habe die große Gabe gehabt, Brücken zu bauen und Menschen zu Kompromissen zu bewegen, sagte Schröder.
Dabei hob er insbesondere Müllers Rolle bei den Verhandlungen mit den Energieversorgern zum Atomausstieg während der Zeit der rot-grünen Regierung hervor. „Er wollte die Energiewirtschaft umkrempeln, um sie nachhaltig zu gestalten“, so Schröder.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet stellte Müllers Beitrag zur Gründung der RAG-Stiftung heraus, die der dauerhaften Finanzierung der Folgekosten nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus in Deutschland dient. „Werner Müller ist ein Werk für die Ewigkeit gelungen“, konstatierte Laschet. Müller habe zudem die soziale Marktwirtschaft verkörpert, fügte der Ministerpräsident hinzu. Er werde als „Mann des Ausgleichs“ fehlen. „Jetzt beim Braunkohlenausstieg würden wir auch seine versöhnende Kraft brauchen“, so Laschet.
Werner Müller gilt als Gründervater von Evonik und RAG-Stiftung
Werner Müller, der in Mülheim wohnte, starb in der Nacht zum 16. Juli nach schwerer Krankheit im Alter von 73 Jahren in Essen. Er hinterlässt seine Frau Marion Müller und zwei erwachsene Kinder. Bis Mai 2018 stand Müller als Chef der RAG-Stiftung und als Vorsitzender der Aufsichtsräte von Evonik und RAG noch mitten im Arbeitsleben. Dann zwang ihn seine Krebserkrankung dazu, die Ämter aufzugeben.
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Von 1998 bis 2002 war Müller als parteiloser Minister für Wirtschaft und Technologie Mitglied der Regierung von Bundeskanzler Schröder. 2003 übernahm Müller den Vorstandsvorsitz der RAG. Im Zuge der Neuaufstellung der RAG in Zusammenhang mit der Gründung der RAG-Stiftung wurde Müller 2007 erster Vorstandschef des Essener Chemiekonzerns Evonik, den er bis Ende 2008 leitete. Vier Jahre später wurde er zum Vorstand der RAG-Stiftung bestellt.
„Fast mochten wir an ein medizinisches Wunder glauben“
RAG-Stiftungschef Bernd Tönjes würdigte Müller als außergewöhnlichen Menschen, der den Mut gehabt habe, Ideen auch gegen Widerstände durchzusetzen. „Er hinterlässt uns in der Stiftung ein großes Erbe“, sagte Tönjes. Auch viele künftige Generationen würden davon profitieren.
Müller sei auch nach Ausbruch seiner Erkrankung noch regelmäßig ins Büro gekommen und habe sich weiter über die Entwicklung von Evonik informiert, erzählte der sichtlich ergriffene Evonik-Chef Christian Kullmann im Essener Münster. „Fast mochten wir an ein medizinisches Wunder glauben, doch dieses Wunder blieb aus.“ Die Kraft, die Willensstärke und die Würde, mit der Müller bis zuletzt um sein Leben gekämpft habe, seien imponierend gewesen, so Kullmann.
Ruhrbischof Overbeck geht auf Zitat von Václav Havel ein
Der Chef der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, betonte, Müller sei ein „Sozialpartner im besten Sinne“ gewesen. Wenn es nach zähen Verhandlungen eine Vereinbarung gegeben habe, sei auf sein Wort stets Verlass gewesen.
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck ging unter anderem auf ein Zitat von Václav Havel ein, das die Familie für das Heft zur Trauerfeier ausgewählt hatte. Es lautet: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ Am Ende der Trauerfeier begleitete der Bischof gemeinsam mit der Familie den Sarg aus dem Essener Dom.
Pianisten Martin Stadtfeld spielt Werke von Bach
Musikalisch begleitet wurde die Trauerfeier vom Pianisten Martin Stadtfeld, der drei Werke von Johann Sebastian Bach auf einem Flügel spielte: „Jesu bleibet meine Freude“, den ersten Satz aus „Italienisches Konzert“ und „Siciliano“. Die Orgel blieb stumm. Stattdessen sang der Ruhrkohle-Chor unter der Leitung von Ute Eisenhut „O Herr, gib Frieden“ – und zum Schluss das Bergmannslied.
Zu den Gästen der Trauerfeier gehörten unter anderem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert, der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily, die frühere NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, der CDU-Politiker Friedrich Merz, Bahn-Vorstand Ronald Pofalla, der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen und NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).
„Der Versuch, ihm zu folgen, war eine Schule fürs Leben“
Die Redner hoben nicht nur die Leistungen von Werner Müller als Politiker und Manager hervor, sondern gingen auch auf den Menschen Müller ein. Altkanzler Schröder erinnerte daran, dass in Müllers Büro nahezu immer klassische Klaviermusik zu hören gewesen sei. Müller sei „geistreich und humorvoll“ gewesen, „ein unglaublich feiner Mensch“. Laschet sprach auch über den BVB-Fan und Kulturförderer Müller.
„Werner Müller war denen, die für ihn arbeiten und denken durften, stets einen gehörigen Schritt voraus“, sagte Evonik-Chef Kullmann. „Der Versuch, ihm zu folgen, war eine Schule fürs Leben. Und ich bin ihm dankbar für jede einzelne Lektion.“