Essen. Verdi befürchtet Wegfall von 1100 Stellen in der Kaufhof-Logistik. Streit eskaliert: Gericht verbietet Karstadt-Mitarbeitern Streik, Verdi tobt.
Die Gewerkschaft Verdi reagiert ungewöhnlich scharf auf das vom Unternehmen vor Gericht durchgesetzte Streikverbot für Karstadt-Mitarbeiter: Das Management wolle den Beschäftigten wohl zuerst „die Kohle, dann die Zukunft und schließlich auch noch die demokratischen Rechte“ nehmen, wetterte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Zuvor hatte das Berliner Arbeitsgericht Karstadt-Mitarbeitern per einstweiliger Verfügung eine Beteiligung an Warnstreiks während der Tarifrunde im Einzelhandel untersagt. Es teilt die Ansicht des Warenhaus-Konzerns, dass der für sie geltende Zukunftstarifvertrag das nicht zulässt.
Verdi kündigte juristische Mittel gegen die Entscheidung an und kämpft nun an mehreren Fronten mit dem Management der zu Galeria fusionierten Kaufhausketten Karstadt und Kaufhof. Die Gewerkschaft befürchtet weitere harte Einschnitte bei Kaufhof nach der Übernahme durch Karstadt. Neben den bereits angekündigten Stellenstreichungen von je rund 1000 Stellen in den Filialen und in der Verwaltung seien auch große Teile der Kaufhof-Logistik von der Schließung bedroht, sagte Orhan Akman dieser Zeitung. Der Bundesfachgruppenleiter bei Verdi für den Einzelhandel spricht von „mehr als 1100 Arbeitsplätzen“, die wegfallen könnten. Akman begründet das mit seiner vom Unternehmen nicht dementierten Erwartung, dass von den fünf großen Logistik-Standorten nur noch der in Köln-Porz übrig bleiben solle.
Karstadt will „Abbau von Stellen reduzieren“
Das Unternehmen betonte auf Anfrage, Karstadt und Galeria Kaufhof bauten momentan das Drittkundengeschäft im Bereich Logistik aus. Dass die Liefer-Dienstleistungen künftig auch anderen Unternehmen angeboten werden sollen, hatte Karstadt-Chef Stephan Fanderl bereits vor knapp einem Jahr angekündigt, um zusätzliche Einnahmen zu generieren. Anlass war die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem Logistiker Fiege. Aus der Zentrale in Essen heißt es nun: „Durch den Erfolg dieses strategischen Schrittes soll ein Abbau von Stellen reduziert werden.“ Auf die von Verdi genannten Zahlen – bedrohte 1100 Stellen und vier Standorte – ging Galeria Karstadt Kaufhof nicht konkret ein.
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Karstadt-Eigentümer Rene Benko hatte im vergangenen Jahr Galeria Kaufhof vom kanadischen HBC-Konzern übernommen – zunächst mehrheitlich und nach einer Einigung mit HBC bald komplett. Fanderl soll nun wie zuvor Karstadt auch den Kaufhof sanieren und aus den roten Zahlen führen. Als erste Sparmaßnahme nahm er zu Jahresbeginn Kaufhof aus der Tarifbindung, derzeit läuft nach einem Sozialplan der Stellenabbau in den Filialen. Die Kaufhof-Verwaltung in Köln soll weitgehend zurückgebaut, die Zentrale in Essen aufgestockt werden.
„Brauchen Ansage statt Beruhigungspillen“
Akman fordert nun auch für die Logistik-Beschäftigten Klarheit. „Sie brauchen keine Beruhigungspillen, sondern eine klare Ansage vom Unternehmen, was mit ihren Arbeitsplätzen geschehen soll“, sagt der Verdi-Handelsexperte. Zugleich kündigte er bereits vorab den Widerstand der Gewerkschaft an, falls tatsächlich die Standorte Frechen, Neuss, Erfurt und Dietzenbach geschlossen werden sollten.
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Die laufende Tarifrunde im Einzelhandel heizt die Stimmung derzeit zusätzlich an. Verdi ruft regelmäßig auch die Mitarbeiter von Kaufhof und Karstadt zu Warnstreiks auf, obwohl beide nicht im Flächentarif sind, für den gestreikt wird. Bei Kaufhof begründet Verdi das mit der Forderung nach Anerkennung des Tarifvertrags. Bei Karstadt damit, dass der laufende Sanierungstarifvertrag die Rückkehr in den Flächentarif bis 2021 vorsieht. Bei Karstadt sieht das Unternehmen darin einen Verstoß von Verdi gegen die Friedenspflicht.
Karstadt fordert Schadenersatz von Verdi
Das Arbeitsgericht Berlin schloss sich dieser Meinung am Freitag an und untersagte bundesweit eine weitere Streikbeteiligung von Karstadt-Mitarbeitern bis zum Ende der Tarifauseinandersetzung. Karstadt kündigte daraufhin an, von Verdi Schadenersatz auch rückwirkend für „die bislang rechtswidrig durchgeführten Streiks“ zu fordern. Davon unabhängig setze Karstadt „weiterhin auf den Dialog mit dem Sozialpartner, sofern die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden und rechtswidrige Streiks unterbleiben“.
Verdi-Vorstand Nutzenberger kündigte Rechtsmittel gegen das Streikverbot an. 2017 hätten die Karstadt-Beschäftigten schließlich auch mitgestreikt. „Es war bislang unstrittig, dass sie während der Laufzeit des Zukunftstarifvertrages bis 2021 in die Tarifrunden des Einzelhandels einbezogen werden können“, sagte Nutzenberger und verschärfte den Ton gegenüber der Konzernführung deutlich. Das Karstadt-Management stelle dieses Streikrecht mit einem einzigen Ziel in Frage: „Den Kolleginnen und Kollegen soll wohl dauerhaft in die Taschen gegriffen werden. Ganz nach dem Motto: ‚Erst nehmen wir ihnen die Kohle, dann die Zukunft und schließlich auch noch die demokratischen Rechte!‘“