Essen. Der Essener Industriekonzern Evonik lässt von der US-Investmentbank JP Morgan die drei Geschäftsfelder Chemie, Energierzeugung und Immobilien überprüfen. Das nährt Spekulationen, der Prüfung könnte eine Neuordnung des Konzerns, gar der Verkauf von Steag folgen.
Der Essener Industriekonzern Evonik lässt von der US-Investmentbank JP Morgan die drei Geschäftsfelder Chemie (Degussa), Energieerzeugung (Steag) und Immobilien überprüfen. Bereits Ende August sollen die ersten Ergebnisse vorliegen. Die bereits seit Wochen anhaltenden Spekulationen aus dem Aufsichtsrat und dem Kuratorium der RAG-Stiftung, die Prüfung könnte zu einem Verkauf der Steag und einer Neuordnung des Konzerns führen, wiesen sowohl Evonik als auch der Chef der IG BCE, Hubertus Schmoldt, strikt zurück.
"Reine Spekulation"
„Die Zerschlagung des Konzerns ist eine Spekulation, die wir zurückweisen”, sagte ein Evonik-Sprecher. Schmoldt sagte der WAZ, er wisse um solche Spekulationen und Überlegungen Einzelner im Unternehmen und aus der Politik. Auch der Großaktionär CVC, der 25,01 Prozent an Evonik hält und sich vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise mit einer völligen Veränderung seiner ursprünglichen Annahmen konfrontiert sieht, „hat einen anderen Blick auf das Unternehmen”, sagte Schmoldt. „Wir sind aber nach wie vor der Überzeugung, dass ein integriertes Evonik-Unternehmen die beste Grundlage für die Zukunft ist.” Und: „Wir sehen keine Notwendigkeit, über einen solchen Verkauf nachzudenken.”
Laut dem Evonik-Sprecher handelt es sich bei der Überprüfung des Portfolios um eine routinemäßige „Analyse unserer Einzelaktivitäten. Wir gucken uns unsere Geschäfte an und prüfen, wie wir diese weiter entwickeln können.” Auch Schmoldt, Mitglied im Kuratorium der RAG-Stiftung, sagte, es gehe lediglich um die Prüfung einzelner Investionen. „Es gibt keinen Auftrag an JP Morgan mit einer konkreten Zielsetzung.”
Die Überlegungen zu einer Portfolio-Analyse sind Mitte Juni bereits im Aufsichtsrat und dem Kuratorium der RAG-Stiftung, die knapp 75 Prozent an Evonik besitzt, diskutiert worden. Teilnehmer berichteten, dass aus den Vorträgen die Schlussfolgerung zu ziehen sei, dass der Energieerzeuger Steag verkauft werden solle, um damit die deutlich renditeträchtigere Chemie zu stärken. Bereits heute steuert die Degussa drei Viertel zum Konzerngeschäft bei.
Zudem ist die derzeitige Krisenlage günstig, auch kleinere Chemie-Unternehmen mit weniger als einer Milliarde Euro zuzukaufen. Andererseits: Ein Verkauf der Steag dürfte ebenfalls nicht die Erlöse bringen, die in normalen Zeiten zu erreichen wären.
Drei-Säulen-Strategie
Der frühere Evonik-Chef Werner Müller und Hubertus Schmoldt haben sich in der Vergangenheit mit Macht für den Erhalt der drei Säulen des Mischkonzerns ausgesprochen. Seit Januar steht mit Klaus Engel der frühere Degussa-Chef an der Spitze des Konzerns – und räumt mächtig auf, etwa in den Verwaltungsebenen der drei zusammengeschobenen Unternehmen Steag, Degussa und Immobilien. Unklar blieb, inwieweit von den Eigentümern tatsächlich eine neue Strategie befürwortet wird.
Die Aufgabe der Drei-Säulen-Strategie wäre in jedem Fall ein Politikum – knapp drei Jahre nach Gründung des Mischkonzerns und zwei Jahre nach der Umbenennung in Evonik Industries. Die Veräußerung der Einzelteile war von NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) während der heftigen Diskussionen um den Kohlekompromiss und die Trennung der Geschäftsfelder Degussa, Immobilien und Steag von der Steinkohle verfochten worden.
Eine Strategie-Änderung müsste eine Debatte um die Satzungsänderung bei Stiftung und Unternehmen auslösen, in denen von einem integrierten Unternehmen die Rede ist. Politisch würde es noch aus einem anderen Grund: Vor dem Hintergrund der dramatischen Haushaltslage könnte das politisch dominierte Kuratorium auf die Idee verfallen, etwaige Verkaufserlöse für die Abwicklung des Bergbaus nach 2018 bei Seite zu legen. So ist es in Berlin zu hören.