Essen. . Sigmar Gabriel im Interview: Im Streit um Stahl-Exporte in die USA erhöht der Außenminister den Druck auf die Regierung von Donald Trump.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) legt im Streit um deutsche Stahlexporte in die USA nach und wirft der Regierung von Präsident Donald Trump in der Wirtschaftspolitik nationalen Egoismus vor. „Es gab in den USA immer protektionistische Tendenzen“, sagte Gabriel im Interview mit unserer Redaktion. „Die Trump-Administration scheint das nun verstärken zu wollen und sucht nationale Vorteile. Genau das aber kollidiert mit einem seit Jahrzehnten erfolgreich bestehenden Rechtsrahmen.“
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Gabriel verwies auf international vereinbarte Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). „Unser Ziel ist ein fairer Handel für alle WTO-Mitglieder.“ Die US-Regierung geht gegen die deutschen Stahlhersteller Salzgitter und Dillinger Hütte vor. Gabriel warnte, wenn unfaire Methoden in diesen Fällen zugelassen würden, „dann öffnen wir protektionistischen Tendenzen in Zukunft Tür und Tor“.
Herr Minister, wie es scheint, will die neue US-Regierung unter Präsident Trump die Vereinigten Staaten abschotten, damit weniger Stahl aus Europa ins Land kommt. Ist das aus Sicht der Bundesregierung akzeptabel?
Gabriel: Es ist sicher zu früh, um eine klare Prognose für die Wirtschaftspolitik der USA abzugeben. Aber tatsächlich gibt es offenbar starke Kräfte, die nicht die besten Technologien und die beste Qualität im Wettbewerb der Stahlproduzenten entscheiden lassen wollen, sondern lieber zu staatlichen Schutzmaßnahmen greifen möchten. Das wäre allerdings gegen die international vereinbarten Regeln der Welthandelsorganisation und für uns in Europa und Deutschland nicht akzeptabel.
Was wollen Sie tun?
Gabriel: Wir wollen gemeinsam mit der Europäischen Kommission dafür kämpfen, dass die USA in den Anti-Dumping-Verfahren gegen die Salzgitter AG und die Dillinger Hütte zu den verbindlichen internationalen Berechnungsgrundlagen zurückkehren und eben keine eigenen aufstellen. Wenn wir unfairen Dumping-Wettbewerb in diesen beiden Fällen zulassen, dann öffnen wir protektionistischen Tendenzen in Zukunft Tür und Tor.
Machen Sie sich Sorgen um die europäischen und deutschen Stahlhersteller?
Gabriel: Die deutschen Stahlhersteller sind in hohem Maße leistungsfähig und innovativ. Übrigens sind Sie auch, was den Umwelt- und Klimaschutz angeht, hervorragend. Sie sind aber auf den Export angewiesen. Gelingt es uns nicht, mit verbindlichen Regeln für fairen Wettbewerb zu sorgen, dann müssen wir uns natürlich Sorgen machen. Deshalb haben die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries und ich nun auch die zuständige EU-Kommissarin Cecila Malström aufgefordert, sich mit allem Nachdruck für die Verbindlichkeit unserer gemeinsamen WTO-Regeln auch in den USA einzusetzen.
Welchen Einfluss kann die Bundesregierung nehmen?
Gabriel: Wir haben ja bereits in der Auseinandersetzung mit den Dumpingstahl-Importen aus China gezeigt, dass wir nicht wehrlos sind. Und genauso wie in der Auseinandersetzung mit China wird die Bundesregierung gegenüber den Amerikanern selbstbewusst und hartnäckig für die Interessen der europäischen Industrie an der Seite der EU-Kommission streiten. Wir kämpfen nicht gegen Industrien in einzelnen Ländern, sondern wir kämpfen für die Einhaltung gemeinsamer Regeln, die auch in Zukunft für alle gelten sollen. Unser Ziel ist ein fairer Handel für alle WTO-Mitglieder – und eben nicht nur Vorteile für einzelne nationale Volkswirtschaften.
Sehen Sie Rechtsverstöße der US-Regierung in Hinblick darauf, dass US-Unternehmen unfairer Wettbewerb ermöglicht wird?
Gabriel: Es gab in den USA immer protektionistische Tendenzen. Die Trump-Administration scheint das nun verstärken zu wollen und sucht nationale Vorteile. Genau das aber kollidiert mit einem seit Jahrzehnten erfolgreich bestehenden Rechtsrahmen. Man muss ja mal erklären, wozu dieser Rechtsrahmen dient: Er soll für alle gleiche Regeln schaffen. Erst dann gibt es fairen Wettbewerb um die besten Technologien und den besten Stahl. Wenn man mit nationalen Fördermaßnahmen diesen Wettbewerb verzerrt, gewinnt am Ende nicht der Beste, sondern der Schlechteste. Denn wenn man sich auf nationale Schutzregeln verlässt, fällt ja jeder Anreiz, um besser zu werden, weg. Am Ende gehen ausgerechnet die Arbeitsplätze verloren, die am leistungsfähigsten sind. Etwas zugespitzt: Es gewinnt der Faule, der Fleißige verliert. Und die deutsche Stahlindustrie gehört eben zu den Fleißigen.
Befürchten Sie, dass sich die Handelsbeziehungen zu den USA durch den Stahlstreit grundsätzlich verschlechtern?
Gabriel: Ich hoffe es nicht. In der Vergangenheit habe ich die Amerikaner immer als Pragmatiker kennengelernt. Sie haben immer mal wieder versucht, neue Wege zu gehen, wenn sie sich in einer bestimmten Frage nicht sofort durchsetzen konnten. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Stahlindustrie in den USA einen ähnlichen Symbolwert für die arbeitende Bevölkerung wie bei uns in Deutschland hat. Trump hat die meisten Wählerstimmen im „Rust Belt“, dem ehemaligen Stahlrevier der USA gewonnen. Hier will er schnelle Erfolge für seine Klientel vorzeigen können. Aber mit „Quick Wins“ durch Dumping-Methoden wird er dauerhaft keinen Erfolg haben.
Droht eine Spirale des Protektionismus?
Gabriel: Man soll sie nicht herbeireden, aber natürlich werden die deutschen und europäischen Stahlarbeiter von uns fordern, dass wir sie auch schützen, wenn sich andere Staaten nicht an die internationalen Regeln halten. Das kann dann ein für die Steuerzahler und vor allem für die Verbraucher teurer Wettbewerb werden. Diesseits und jenseits des Atlantiks sollten deshalb alle wissen: Weitere Eskalationen von Streitigkeiten nützen niemandem. Das Wesen der internationalen Handelspolitik ist Fairness und Konsensbereitschaft. Wenn wir das gemeinsam im Blick behalten, dann können wir nationalistische und protektionistische Tendenzen eindämmen.
Sie waren Wirtschaftsminister und sind jetzt Außenminister. Werden Wirtschaftsthemen im Außenamt künftig eine wichtigere Rolle spielen?
Gabriel: Man kann komplexe politische Aufgaben nicht einfach in Schubladen stecken. In meiner Zeit als Wirtschaftsminister habe ich erleben dürfen, wie eng außenpolitische Fragen mit handelspolitischen Fragen zusammenhängen. Deshalb habe ich als Wirtschaftsminister immer eng mit meinem Vorgänger im Außenamt Frank-Walter Steinmeier zusammengearbeitet. Brigitte Zypries und ich halten es heute genauso. Nur durch Kooperation entstehen Kontinuität und langfristige Erfolge.