Essen. . Minister Gabriel fordert Veto aus Brüssel gegen US-Strafzölle auf europäische Produkte. IG Metall nennt Dumpingvorwürfe „absurd“. Preise steigen.
Wer auf die Frage, wie es ihm gehe, nur einen Moment zögert, wird kein glaubwürdiges „gut“ mehr hinbekommen. In der Stahlbranche ist es derzeit egal, wen man fragt – Manager wie Gewerkschafter wie Betriebsräte wägen ihre Antworten sorgsam ab. Zu widersprüchlich sind die Signale aus aller Welt: Die Stahlkonjunktur zieht samt Preisen kräftig an und China gelobt einen Abbau seiner Überkapazitäten – andererseits drohen höhere Klimaabgaben in Europa und nun auch noch die Abschottung des US-Marktes unter Donald Trump. Seit Jahren kämpft die deutsche Stahlindustrie gegen Billigimporte aus Asien – nun sieht sie sich aus den USA selbst diesem Vorwurf ausgesetzt.
Gegen Stahl-Grobblech aus Deutschland hatten die USA bereits vor der Amtsübergabe im Weißen Haus Strafzölle erhoben, allerdings nur vorübergehend. Dabei ging es um Bleche der Dillinger Hütte aus dem Saarland und ihrer französischen Tochter, mit denen vor allem die US-Werke des Mülheimer Röhrenherstellers Europipe beliefert werden. Europipe gehört je zur Hälfte der Dillinger Hütte und Salzgitter. Die Produkte wurden mit Strafzöllen zwischen sieben und 14 Prozent belegt.
Enorme Preisunterschiede
Zu dem vom US-Wirtschaftsministerium nun forcierten Verfahren gegen angeblich zu billige Stahl-Importe aus Europa hat Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) ein Veto aus Brüssel gefordert. In einem Brief an EU-Handelskommissarin Cecilia Malström fordert der frühere Wirtschaftsminister, die Kommission müsse eine klare Position beziehen, um einen Fehlstart im Handelsdialog mit der neuen US-Administration zu verhindern. „Es ist zu befürchten, dass die neue US-Regierung bereit sein könnte, amerikanischen Unternehmen unfairen Dumpingwettbewerb zu erlauben, auch wenn das gegen internationales Recht verstößt“, warnt Gabriel, „das dürfen wir Europäer nicht akzeptieren.“
US-Stahl ist seit längerem weltweit der teuerste, im Sommer 2016 kostete die Tonne Warmband in den Staaten mit 660 Dollar rund 200 Dollar mehr als in Europa. Damit war die Preislücke noch weit größer als zwischen europäischem und asiatischem Stahl. Die Amerikaner gingen mit Strafzöllen von bis zu 266 Prozent gegen chinesische Produkte vor. Ein ähnlich rigides Eingreifen gegen Billigimporte aus Fernost hätten sich die deutschen Konzerne auch von der EU gewünscht. Nun sehen sie sich selbst am Dumping-Pranger, obwohl die Stahlpreise in Europa zuletzt enorm gestiegen sind und der Abstand zu den US-Preisen deutlich kleiner geworden ist.
Gewerkschaft kritisiert Protektionismus der Amerikaner
Knut Giesler, IG-Metall-Chef in NRW, hat für die Vorgehensweise der US-Administration entsprechend wenig übrig: „Der amerikanische Protektionismus trägt mittlerweile absurde Züge. Wer deutschem Stahl Dumpingvorwürfe macht, sollte mal zum Arzt gehen“, sagte er dieser Zeitung.
Deutlich zu werden, ist derzeit Sache der Gewerkschaften und der Politik. Die Unternehmen äußern sich eher vorsichtig. Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann sagte gestern zur Lage in den USA: „Wir sind ein bisschen ,at risk’.“ Das Ausmaß sei aber überschaubar, weil das US-Geschäft nur sechs Prozent des Umsatzes ausmache.
Abschottung des US-Marktes bereits spürbar
Auch der deutsche Branchenführer Thyssen-Krupp liefert keine riesigen Mengen in die Staaten. Trotzdem beäugt man den Start der Trump-Regierung auch in Duisburg genau, schließlich sind die USA auch wegen des hohen Preisniveaus ein spannender Markt. Die Tendenz sei schon zu spüren, dass die Amerikaner bei allen Stahlprodukten die Schotten hochziehen, um ihre Industrie zu schützen, hört man im Konzernumfeld.
Ein Nebeneffekt der US-Zölle träfe speziell beim Grobblech ohnehin auch die heimische Konkurrenz: Produkte, die Dillinger dort nicht absetzen kann, drängen zusätzlich auf den europäischen Markt. Das könnte die gerade erholten Preise wieder drücken. Und bei Thyssen-Krupp, das seine Stahlsparte ohnehin umbauen will, gilt besonders das Grobblech-Werk in Duisburg-Hüttenheim, das laut Betriebsrat seit Jahren Verluste einfährt, als gefährdet.