Wolfsburg. Entwickler bekamen neuen Dieselmotor 2008 nur mit manipulierter Software in den Griff. Firmenspitze sieht VW bedroht
Gründliche Aufklärung hat der Volkswagen-Konzern in der Diesel-Affäre versprochen. Und das alle Beteiligten an diesen Vorgängen mit aller Konsequenz belangt werden. Offenbar sind die internen Ermittler recht schnell vorgestoßen zu denen, die jene Software installiert haben, mit der VW-Dieselmotoren in den strengen US-Abgastests ungemein umweltfreundlich liefen im Echtbetrieb aber nicht mehr.
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Bei der internen Revision von VW haben mehrere Mitarbeiter der Motorenentwicklung gestanden, die Software 2008 installiert zu haben, wie die „Bild am Sonntag“ berichtet. Demnach war es den Ingenieuren nicht gelungen, den Motor in dreijähriger Entwicklungszeit so zu konstruieren, dass er sowohl die Abgasvorgaben einhalten würde als auch den Kostenrahmen. Und stoppen wollten die Ingenieure das Projekt offenbar auch nicht.
Wusste Winterkorn Bescheid?
Aber handelten die Ingenieure aus eigenem Antrieb? Eher unwahrscheinlich in einem derart hierarchisch geführten Unternehmen wie Volkswagen, in dem der ehemalige Chef Martin Winterkorn gern selbst in die Entwicklung eingriff und sich um Details kümmerte. Dem Zeitungsbericht zufolge gibt es bisher keine Hinweise, dass Winterkorn Bescheid wusste, die Aussagen belasten allerdings Ulrich Hackenberg, einen engen Vertrauten von Winterkorn und zuletzt Entwicklungsvorstand bei Audi, davor in derselben Funktion bei VW.
Hackenberg wurde inzwischen beurlaubt, ebenso die Entwicklungsvorstände von VW, Heinz-Jakob Neußer, und Porsche, Wolfgang Hatz. Vor allem Hatz wehre sich gegen Vorwürfe, er habe etwas von der Schummelsoftware gewusst, berichtete die „Bild am Sonntag“. Der Aufsichtsrat geht nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ohnehin davon aus, dass die Schummelsoftware nicht das Werk einiger weniger Ingenieure ist. VW kommentierte die Berichte nicht.
Wie ernst die Lage im Konzern ist, zeigen Aussagen der beiden wichtigsten Manager: Matthias Müller, seit knapp zehn Tagen Chef des Konzerns, und Hans Dieter Pötsch, designierter Aufsichtsratsvorsitzender und noch VW-Finanzvorstand. Vor Topmanagern des Konzerns sprach Pötsch von einer „existenzbedrohenden Krise“. Müller erklärte, man werde ohne Rücksicht auf Rang und Namen aufklären.
Merkel: VW müsse notwendige Transparenz herstellen
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Ob die beiden die Richtigen dafür sind, bezweifeln einige Experten. Ferdinand Dudenhöffer etwa, Autoexperte und Professor der Universität Duisburg Essen, hält Pötsch für völlig ungeeignet. Schließlich habe der langjährige Finanzvorstand alle Entscheidungen im Konzern mitgetragen. Nötig sei jemand von außen an der Spitze des Kontrollgremiums. Und Müller ist ein langjähriger Weggefährte des zurückgetretenen Winterkorn. Zudem will sich offenbar Berthold Huber, der derzeit den Aufsichtsrat leitet, noch in diesem Jahr zurückziehen und den Posten dem Jörg Hoffmann übergeben, wenn der Mitte Oktober zum neuen IG-Metall-Chef gewählt wird.
Inzwischen hat sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geäußert. Im Deutschlandfunk sagte sie: „Ich hoffe, dass VW jetzt schnell die notwendige Transparenz herstellt und die Dinge aufarbeitet.“ VW hat bereits vergangene Woche angekündigt, die betroffenen Kunden zu informieren und die Motoren nachzurüsten. Unklar ist bisher allerdings, wie das geschehen soll. Bis Mitte der Woche fordert das Kraftfahrtbundesamt dazu eine Erklärung.
Zunächst hat VW die Internetseite www.volkswagen.de/info eingerichtet, auf der Kunden anhand der Fahrgestellnummer feststellen können, ob ihr Fahrzeug mit manipuliertem Motor fährt.