Essen. . Vier ehemalige Manager von Thyssen-Krupp müssen sich angesichts des Schienenkartells vor dem Landgericht in Bochum verantworten.
Wenn es am kommenden Montag vor dem Bochumer Landgericht um die juristische Aufarbeitung des Schienenkartells geht, sitzen auch vier ehemalige Manager von Thyssen-Krupp auf der Anklagebank. Ihnen wird vorgeworfen, über viele Jahre hinweg wettbewerbswidrige Preis- und Quotenabsprachen bei Lieferungen an die Deutsche Bahn getroffen zu haben.
Der Kartellfall kam Thyssen-Krupp teuer zu stehen. Allein die Bußgelder lagen bei 191 Millionen Euro. Hinzu kamen Forderungen von Kunden, die sich über den Tisch gezogen fühlten. Insgesamt sei Thyssen-Krupp durch das Schienenkartell ein Schaden von mehr als 300 Millionen Euro entstanden. In einer Reihe von Schadenersatzprozessen gegen frühere Manager will der Konzern das Geld wieder in die Kasse holen.
"'Die ungeschminkte Wahrheit muss auf den Tisch"
Beim Strafprozess in Bochum tritt Thyssen-Krupp als Nebenkläger auf. „Die ungeschminkte Wahrheit muss auf den Tisch“, sagte Vorstandsmitglied Donatus Kaufmann am Dienstag vor Journalisten in Essen. Er spricht von einem „massiven Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter im Namen von Thyssen-Krupp“. Das Kartellamt ging bei der Bemessung des Bußgelds davon aus, dass das Schienenkartell zehn Jahren existierte. Möglicherweise war der Zeitraum aber noch deutlich länger, heißt es im Konzern. Von Jahrzehnten ist die Rede.
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Mit großer Härte geht Thyssen-Krupp gegen frühere Konzernmanager vor, denen eine Beteiligung am Kartell vorgeworfen wird. Von zwei ehemaligen Bereichsvorständen fordert das Unternehmen rund 300 Millionen Euro – eine atemberaubende Schadenersatzsumme. „Für uns ist es eine Frage der Haltung“, betont Kaufmann. „Deswegen geht es uns dabei in erster Linie um ein Signal der Glaubwürdigkeit gegenüber all jenen Mitarbeitern, die sich an die Regeln halten. Der Schadenersatz steht hier nicht im Vordergrund.“
„Bis zu den Durchsuchungen hatte ich keine Kenntnis vom Kartell“
Der frühere Bereichsvorstand Uwe Sehlbach, der zu den Managern zählt, von denen Thyssen-Krupp 300 Millionen Euro verlangt, weist die Vorwürfe zurück. „Ich fühle mich unschuldig“, sagte Sehlbach unserer Zeitung. Das Kartell habe ohne sein Wissen gewirkt. „Bis zu den Durchsuchungen hatte ich keine Kenntnis vom Kartell“, beteuert der Manager, der sich im Ruhrgebiet auch als langjähriger Vorsitzender des traditionsreichen Essener Sportvereins Etuf einen Namen gemacht hat.
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Mit Blick auf die 300-Millionen-Euro-Forderung sagt Sehlbachs Anwalt Andreas Lotze: „Hier soll eine Existenz vernichtet werden. Ein Manager aus dem mittleren Management wird herausgegriffen, um ein Exempel zu statuieren.“ Sehlbach sei ein Manager in einer hierarchisch geprägten Konzernorganisation gewesen. Vor Gericht sei also zu klären, ob das wettbewerbswidrige Verhalten nicht vor allem systemisch bedingt gewesen sei. „Der Konzern hat bewusst nicht genau hingeschaut, wenn das Ergebnis stimmte“, urteilt Lotze.
Thyssen-Krupp-Vorstand Kaufmann zeichnet ein anderes Bild. „Es geht immerhin um die Verantwortung von ehemaligen Bereichsvorständen oder Geschäftsführern“, sagt er. Das Unternehmen erwarte von allen Führungskräften, dass sie „in ihrem Verantwortungsbereich ordnungsgemäße Geschäftsprozesse sicherstellen, hinsehen und handeln, wenn die Regeln gebrochen werden“.
Prozessmarathon hat gerade erst richtig begonnen
Vor dem Bochumer Landgericht dürften auch einige Merkwürdigkeiten im Schienengeschäft von Thyssen-Krupp eine Rolle spielen. Vor etwa zehn Jahren war ein Manager des Konzerns wegen Bestechung eines Bahn-Einkäufers verurteilt worden. Dennoch durfte er als Bereichsvorstand im Unternehmen bleiben und war auch für Geschäfte mit der Bahn zuständig.
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„Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber aus den Fehlern lernen“, sagt Kaufmann, der als Compliance-Vorstand seit Anfang 2014 dafür sorgen soll, dass Thyssen-Krupp nur saubere Geschäfte macht. Das Landgericht hat zunächst acht Verhandlungstermine vorgesehen – bis Ende Oktober. Nach dem Strafprozess zeichnen sich mehrere Arbeitsgerichts- und Schadenersatzverfahren ab – unter anderem in Dortmund und Düsseldorf. Im Zusammenhang mit dem Schienenkartell hat Thyssen-Krupp nach eigenen Angaben gegenüber 15 Ex-Managern Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Der Prozessmarathon hat gerade erst richtig begonnen.