Essen. . Auch Jahre nach der Aufdeckung rechnet Thyssen-Krupp damit, dass die Aufarbeitung des Schienenkartells noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.
Donatus Kaufmann soll als Vorstandsmitglied von Thyssen-Krupp dafür sorgen, dass der Konzern nur saubere Geschäfte macht. Dass sich die Mitarbeiter an die Gesetze halten und die internen Regeln befolgen, wird neudeutsch „Compliance“ genannt. Als Compliance-Vorstand ist Kaufmann auch zuständig für die Aufarbeitung des Schienenkartells, an dem Thyssen-Krupp beteiligt war. Im Interview erläutert Kaufmann, welche Bedeutung der Schienenkartell-Prozess vor dem Bochumer Landgericht für das Unternehmen mit seinen 155 000 Beschäftigten hat.
Vor wenigen Tagen hat in Bochum der Schienenkartell-Prozess begonnen. Warum tritt Thyssen-Krupp als Nebenkläger auf?
Kaufmann: Uns ist es wichtig, dass das Kapitel vollständig aufgearbeitet wird. Einige der im Schienenkartell handelnden Personen haben uns während unserer unternehmensinternen Untersuchung zum Teil wiederholt belogen. Das hat die interne Aufarbeitung extrem erschwert. Insofern begrüßen wir es, wenn nun durch den Strafprozess in Bochum die vollständige Wahrheit auf den Tisch kommt. Diese Erkenntnisse können dann beispielsweise für die weitere präventive Compliance-Arbeit im Konzern und auch für die Verfolgung von Schadenersatzansprüchen gegen Verantwortliche des Schienenkartells wichtig sein. Immerhin ist uns ein Schaden von mehr als 300 Millionen Euro entstanden.
Auf der Anklagebank in Bochum sitzen auch ehemalige ThyssenKrupp-Manager. Geht es bei der Nebenklage des Unternehmens auch um ein Signal: Hier haben einzelne Manager gehandelt, von denen sich der Konzern distanziert?
Kaufmann: Nein, darum geht es uns nicht. Es ist doch völlig unbestritten, dass im Rahmen des seinerzeitigen Schienenkartells einzelne Mitarbeiter im Namen von Thyssen-Krupp anderen Schaden zugefügt haben. Selbstverständlich stehen wir deshalb zu unserer Verantwortung. Aber klar ist auch: Soweit hätte es nicht kommen müssen. Es gab und gibt klare Regeln und jeder ist insoweit für sein eigenes Handeln verantwortlich. Jeder Mitarbeiter weiß, dass wir nur saubere Geschäfte wollen. Darauf kommt es an.
Wie groß ist der Schaden für die Reputation von Thyssen-Krupp?
Kaufmann: Erheblich. Die Rufschädigung belastet ja zum Beispiel auch das Verhältnis zu Kunden und Lieferanten. Entsprechend wichtig ist uns zu zeigen: Wir klären auf – und wir haben die Konsequenzen gezogen. Mitarbeiter, die sich etwas zuschulden haben kommen lassen, mussten das Unternehmen verlassen. Und wir setzen ganz entschieden auf Prävention, damit sich Fälle wie das Schienenkartell bei uns in Zukunft nicht wiederholen. Integrität, Gesetzestreue und Ordnungsmäßigkeit sind die Eckpfeiler unseres Handelns.
Waren es Taten einzelner – oder gab es Strukturen und eine Unternehmenskultur, durch die sich die Kartellsünden erklären lassen?
Kaufmann: Bei dem Schienenmarkt handelt es sich ja auch aus Sicht der Staatsanwaltschaft um eine Branche, die tendenziell anfällig für Kartelle ist, weil es nur wenige Marktteilnehmer gibt. Man darf es sich aber nicht zu leicht machen und sich seiner individuellen Verantwortung mit Verweis auf möglicherweise erhöhte Risiken in einer Branche entziehen.
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Compliance ist für uns eine Frage der Haltung. Wir erwarten von unseren Mitarbeitern, dass sie sich ihrer moralischen Verantwortung stets bewusst sind und die Regeln kennen und befolgen. Wer Zweifel hat oder sich unsicher fühlt, der soll aktiv auf unsere Compliance-Experten zugehen, die gern helfen. Für uns ist klar: Lieber verzichten wir auf ein Geschäft, als dass es unsauber zustande kommt.
Wissen Sie, was die Kartellsünder in den eigenen Reihen angetrieben hat?
Kaufmann: Darüber möchte ich nicht spekulieren. Solches Fehlverhalten ist aber definitiv nicht im Sinne von ThyssenKrupp.
Gehen Sie davon aus, dass es Kenntnis von den Kartellfällen auch oberhalb der Ebene des Bereichsvorstands gegeben hat?
Kaufmann: Wir hatten ja intensiv selbst ermittelt und keine Hinweise dafür gefunden. Genauso übrigens wie die Ermittler der Staatsanwaltschaft und des Bundeskartellamts.
Thyssen-Krupp fordert Schadenersatz von ehemaligen Managern, bislang allerdings weitgehend erfolglos. Von einem früheren Beschäftigen werden rund 300 Millionen Euro verlangt. Warum geht das Unternehmen mit dieser Härte gegen die mutmaßlichen Kartellsünder vor?
Kaufmann: Ich kann verstehen, dass das hart klingt. Aber genau das ist der Schaden, der uns entstanden ist. Es ist für mich eine Frage der Konsequenz und Glaubwürdigkeit gegenüber allen anständigen Mitarbeitern, dass wir das Kartell jetzt umfassend aufarbeiten.
Lassen sich Korruption und Kartellvergehen in einem Unternehmen mit rund 155 000 Mitarbeitern weltweit überhaupt völlig vermeiden?
Kaufmann: Gegen die kriminelle Energie Einzelner ist nichts zu machen. Wichtig ist deshalb, dass Vorfälle schnell und vorbehaltlos abgestellt werden und es keine systematischen Verstöße im Unternehmen gibt. Deswegen liegt der Schwerpunkt unserer internen Arbeit auch auf Aufklärung und Prävention. Fehlverhalten aus reiner Unwissenheit oder Nachlässigkeit wird damit vorgebeugt.
Wann kann ein Schlussstrich unter das Kapitel Schienenkartell gezogen werden?
Kaufmann: Dann, wenn das Schienenkartell und seine Folgen umfassend aufgearbeitet sind. Wir haben unsere interne Ermittlung abgeschlossen, derzeit läuft der Strafprozess, danach wird es weiter um Arbeitsgerichtsverfahren und Schadenersatzforderungen gehen. Die Klärung aller Fragen wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen.