Washington. Barack Obama zieht Lehren aus der Wirtschaftskrise: Der US-Präsident plant die größte Reform der Börsen- und Bankenaufsicht seit den 30er Jahren. Die Finanzmärkte sollen an die kurze Leine.

An Superlativen für das Versagen der US-Finanzmärkte hat es nicht gemangelt. Das von Amerika ausgehende größte, schlimmste, brutalste Finanzdebakel hat die Weltwirtschaft in ihre tiefste Krise seit der Depression der 30er Jahre gestürzt. Die Welt hat abgerechnet mit der Gier der Banker, dem Renditewahn der Börsianer und der Maßlosigkeit der Investmentmanager. Nur die Frage nach den Konsequenzen spaltet die Welt nach wie vor. US-Präsident Barack Obama schreitet nun voran. Gestern stellte er sein Programm zur Regulierung der Finanzmärkte vor. Es solle verhindern, „dass sich eine solche Krise jemals wiederholt”, wie Obama versprach.

Dass seine Reform der Wallstreet und den Banken viel zu weit geht, unterstreicht, dass es die größte Reform des Finanzsystems seit den 30er Jahren wäre. Die größten Eckpfeiler in Kurzform:

Die Aufsicht

An die Stelle der zersplitterten US-Finanzaufsicht soll eine Oberaufsicht treten. Die US-Zentralbank Fed soll zum „Supercop” werden. Sie soll systemrelevante Institute permanent kontrollieren und verhindern, dass Unternehmen kollabieren, die so schwer sind, dass sie andere mit in den Abgrund reißen könnten.

Der Staat

Die US-Regierung soll weitgehende Rechte zur Verstaatlichung oder Abwicklung insolventer Geldhäuser erhalten. Bisher kann darüber nur die Einlagensicherung entscheiden, was sie zum Beispiel beim Versicherungskonzern AIG getan hat. Zudem soll Unternehmen vorgeschrieben werden, dickere Finanzpolster anzulegen, um für Krisen gerüstet zu sein. Das ist nicht nur für Banken, sondern für alle Großkonzerne geplant.

Ratingagenturen

Ihnen wird eine Mitschuld an der Krise gegeben, deshalb will Obama sie entmachten. Ratingagenturen bewerten Unternehmen und die Qualität ihrer Finanzprodukte. So hatten sie hochriskante Papiere, die vielen zum Verhängnis wurden, positiv bewertet. Weil sie gleichzeitig Unternehmen beraten, die sie auch bewerten, gibt es zwangsläufig Interessenkonflikte. An der Entwicklung einiger Risikopapiere hatten sie selbst mitgewirkt. Künftig sollen sie nur noch eines von beidem tun dürfen – entweder beraten oder bewerten.

Verbraucherschutz

Nicht nur Großinvestoren haben ihr Geld verloren, sondern auch unzählige Kleinanleger. Ihnen will die US-Regierung eine speziell für Finanzprodukte zuständige Verbraucherschutzbehörde an die Seite stellen. Sie soll sich aktiv für geprellte Privatanleger einsetzen und eigenständig Regeln für Finanzprodukte aufstellen.

Derivate

Diese hochriskanten Wettgeschäfte haben immer obskurere Formen angenommen. Sie wurden bisher gar nicht kontrolliert, weil die so genannten „OTC-Derivate” nicht an der Börse, sondern direkt zwischen den Banken gehandelt werden. Bei Derivaten wird ein fester Preis bestimmt, zu dem sie nach einer bestimmten Zeit gekauft werden. Der Käufer geht also eine Wette ein – auf Aktienkurse, Zinsänderungen, Rohstoffpreise – sogar auf das Wetter und Kreditausfälle. Nun sollen solche Derivate erstmals überhaupt kontrolliert und von der Regulierungsbehörde auch verboten werden können. (mit afp)