Essen. Goldman Sachs hat im jüngsten Quartal einen überraschend hohen Gewinn gemacht. Doch Experten warnen vor zu viel Optimismus. Selbst wenn auch die Citigroup und JP Morgan Chase diese Woche gute Ergebnisse präsentieren, ist die Krise noch nicht zu Ende.
Viele Analysten haben die nachösterlichen Tage zur Woche der Wahrheit erkoren. Denn die US-Banken JP Morgan Chase und die Citigroup legen ihre Quartalszahlen vor und liefern so Anhaltspunkte, wie tief die Branche noch in der Bankenkrise steckt.
Der Konkurrent Goldman Sachs hatte es mit seinen Quartalszahlen besonders eilig und diese bereits am Montag anstatt Dienstag präsentiert. Dabei verblüffte das Geldinstitut mit 1,66 Milliarden Dollar Gewinn. Analysten hatten nicht einmal mit der Hälfte gerechnet. „Goldman ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Branche das Schlimmste hinter sich hat”, nährte Keith Wirtz vom Vermögensverwalter Fifth Third Asset Management gestern wie viele andere Hoffnungen auf ein nahendes Ende der Finanzkrise.
„Das ist ein sehr positives Signal”, sagte auch der Banken-Experte Wolfgang Gerke zum Goldman-Sachs-Gewinn, schränkte aber ein: „Das ist noch nicht die Wende.” Sollten jedoch die Quartalsergebnisse von JP Morgan Chase und der Citigroup ebenfalls positiv ausfallen, würde dies die Stimmung im Finanzsektor heben. „Solche Entwicklungen schaffen Dominoeffekte im Positiven”, sagte Gerke der WAZ.
Zumindest gestern hat Goldman dem Deutschen Aktienindex Dax mit auf die Sprünge geholfen, der um 1,5 Prozent auf 4557 Punkte zulegte. Die wichtigsten Treiber waren die Commerzbank mit einem Plus von knapp 13 Prozent auf 5,01 Euro sowie die Deutsche Bank, deren Aktien sich um 4,7 Prozent auf 38,69 Euro verteuerten.
"Charmeoffensive mit guten Nachrichten"
Vor einem verfrühten Aufatmen im Bankenbereich warnt indes Hans-Peter Burghof. „Derzeit erleben wir eine Charmeoffensive mit guten Nachrichten auf dem Finanzsektor”, sagte der Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim der WAZ. Man müsse aber genau prüfen, wie belastbar die positiven Zahlen seien. In anderen Worten: Zunächst einmal gelte es zu schauen, wie die Banken bilanziert hätten, ob die Verluste etwa durch Umschichtungen gestreckt würden.
Hinzu kommt: Die aktuellen Zahlen von Goldman Sachs sind nicht mit denen aus dem Vorjahr vergleichbar, weil die Bank in diesem Jahr ihr Quartal umstellt. So endete das erste Quartal des Vorjahres am 29. Februar und dieses am 27. März. Analysten werten die Umstellung als Glücksfall für das Geldhaus. Der Dezember biete eine seltene Möglichkeit für Goldman Sachs, sagte der Analyst Brad Hintz von Sanford Bernstein. „Ein einzelner Monat, ohne jede Möglichkeit zum Vergleich mit irgendeinem anderen Monat – niemand von uns wird jemals wissen, was sie alles in diesen Monat hineingepackt haben. Das ist eine Sache, von der jeder Finanzchef träumt.” So wies Goldman Sachs prompt für den Dezember 2008 einen Verlust von 1,03 Milliarden Dollar aus – angeblich wegen Verlusten im Handels- und Investmentgeschäft.
Rasch weg vom US-Finanztropf
Neben seinem Gewinn überraschte Goldman Sachs am Montag ein weiteres Mal: Das Institut will für fünf Milliarden Dollar neue Aktien ausgeben und so mit der Rückzahlung zehn Milliarden Dollar aus dem Bankenrettungsplan der US-Regierung beginnen. Viele US-Banken versuchen derzeit, rasch vom staatlichen Finanztropf wegzukommen, da die Hilfen an scharfe Auflagen gekoppelt sind.
Die US-Regierung sieht den Goldman-Vorstoß offenbar mit gemischten Gefühlen. Dies sei zwar ein Zeichen der Stärke, könnte aber andere Institute unter Zugzwang setzen, sagte eine der Regierung von US-Präsident Obama nahestehende Person. Die Begleichung von Staatshilfen könnte der Erholung der Finanzbranche schädlich sein.
Von einer Entwarnung auf dem Finanzssektor will auch Marco Cabras von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz noch nichts wissen. „Gerade bei Bankaktien sollten die Anleger sehr vorsichtig sein”, warnt Cabras. Deren Entwicklung sei noch nicht absehbar. mit rtr/afp