Berlin. Die Kanzlerin will Härte zeigen und sich beim G 20-Gipfel gegen amerikanisches und britisches Zögern durchsetzen. Eigentlich müssten die Regisseure der Finanzmärkte als Lehre aus der globalen Krise Demut zeigen - und die Politiker beherzt handeln.
Immerhin, ein so Marktgläubiger wie Obamas Nationaler Wirtschaftsberater Lawrence Summers räumt ein, der Glaube an die Selbstheilungskräfte des Marktes habe „einen tödlichen Stoß“ erhalten. Die Finanzkrise, ausgelöst an den Kapitalmärkten und in den Börsensälen, ist für die deutsche Kanzlerin das Ergebnis „absoluter Gier und der Ablehnung aller Regeln“.
Noch vor der Bundestagswahl wollen die G-20-Staaten am 24. und 25. September in Pittsburgh ein besseres Risikomanagement, eine strengere Regulierung der Finanzmärkte, klarere Verantwortlichkeiten in den Führungsetagen schaffen und den sozialen Kontext ins Blickfeld rücken. Allein, dem Profil eines erneuerten, gemäßigten Kapitalismus sehen sich die wenigsten verpflichtet: „Wall Street hat nichts gelernt“, umreißt das US-Magazin Forbes die Lage. „In der Finanzbranche gibt es Leute“, pflichtet Finanzminister Peer Steinbrück bei, „die den Knall nicht gehört haben“.
Das Casino ist wieder offen
Kein Jahr nach dem Crash der Lehman Brothers Investmentbank, der das Weltfinanzsystem der Kernschmelze nahe brachte, ist das Casino wieder offen und fährt gewaltige (Spekulations)gewinne ein. Zertifikate und Derivate mit hohem Risikopotenzial locken die Anleger, die Kurse für Bankenanleihen schnellen in die Höhe, die Deckelung üppiger Boni-Zahlungen findet nicht statt – als sei nichts geschehen. „Das fuchst mich“, bekennt Angela Merkel voller Ingrimm.
Mit Geldern der Steuerzahler, die in ihrer großen Mehrheit nichts mit dem leichtfertigen Gezocke geldgieriger Banker und haltloser Spekulanten zu tun hatten, wurde der Kollaps des Weltfinanzsystems abgewendet. Riesige öffentliche Schulden wurden so aufgetürmt, die die Lebenschancen unserer Kinder und Enkel einengen. Die Staaten retteten miserabel geführte Geldhäuser, indem sie Billionen an Liquidität über die Notenbanken in die Märkte schleuste. Die Banken gingen darauf hin zum business as usual über. Die Staatsgelder garantieren ja billiges Geld und üppige Profite. Da sind weiter Leute am Werk, die jeglichen Bezug zur Realität verloren und bei vielen Menschen berechtigte Zweifel am System der Marktwirtschaft geschürt haben.
Merkel zeigt Härte
Unterstützung finden die Gierlöffel bei jenen Politikern im US-Kongress oder in London, die sich unter dem Einfluss einer strammen Lobby gegen eine harte Kontrolle der Rating-Agenturen stemmen, die wider den Handel mit hochriskanten Derivaten streiten, die sich gegen die geplante Aufsicht der Hedgefonds wehren. Dass der Widerstand aus Großbritannien kommt, überrascht nicht. So präsentiert die dortige Bankenaufsicht jetzt einen aufgeweichten Kodex für Banker-Boni, die sie auf der Insel die fat cats nennen. Der Bankenplatz London kämpft gegen härtere EU-Regeln, weil er um seine Wettbewerbsfähigkeit fürchtet.
Merkel will beim Gipfel in Pittsburgh Härte zeigen und am liebsten eine Charta für nachhaltiges Wirtschaften zum „Exportschlager“ machen. Doch bei den wirklich notwendigen Reformschritten bleibt Skepsis angesagt: Bislang vermochten sich die G 20 nur auf den Kampf gegen Steueroasen zu verständigen.