Essen. Die Handelsbosse machen dem Bundeswirtschaftsminister Druck: Sigmar Gabriel soll die Supermarkt-Fusion Edeka/Kaiser’s Tengelmann genehmigen.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel steht vor einer der schwierigsten Entscheidungen seiner Amtszeit. Von ihm hängt es ab, ob Edeka die 451 Supermärkte von Kaiser’s Tengelmann übernehmen kann. Das Ministererlaubnis-Verfahren, das gerade läuft, räumt dem SPD-Chef allerdings Spielräume ein, die ihm die Entscheidung erleichtern könnten.
Gabriel ist im Umgang mit Wirtschaftsbossen geübt. Der Krimi um die Mülheimer Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann hebt sich allerdings vom Tagesgeschäft ab. In den Hauptrollen: Markus Mosa, Chef des mit Abstand größten deutschen Lebensmittelhändlers Edeka, und der Milliardär Karl-Erivan Haub, der mit Tengelmann eines der traditionsreichsten Familienunternehmen Deutschlands vertritt. Beide werben bei Gabriel darum, 16 000 Beschäftigten, die mehr als eine Komparsenrolle in dieser Übernahmeschlacht spielen, eine Zukunftsperspektive zu geben.
Versprechen für 16 000 Mitarbeiter
Mosas und Haubs Rivale ist Rewe-Chef Alain Caparros, der den Wirtschaftsminister zusätzlich in die Zange nimmt. Der Chef des zweitgrößten deutschen Lebensmittelhändlers ist entschlossen, mit allen Mitteln gegen den Edeka/Kaiser’s Tengelmann-Deal zu kämpfen. Edeka wie Rewe versprechen den 16 000 Kaiser’s Tengelmann-Mitarbeitern das Blaue vom Himmel. Bis Ende August hat Gabriel Zeit, sich ein eigenes Bild von diesen Zusagen und dem Konzentrationsprozess in der deutschen Supermarkt-Landschaft zu machen.
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Im Hinblick darauf hat das dem Wirtschaftsminister unterstellte Kartellamt im April die Fusion von Edeka/Kaiser’s Tengelmann untersagt und Rewe unmissverständlich signalisiert, dass auch diese Übernahme nicht genehmigungsfähig sei. Begründung: Die neu entstandene Macht würde zu Lasten von Verbrauchern und Lieferanten gehen.
Gabriel stehen aber nicht nur die Handelsbosse auf den Füßen, er hat auch die Zeit im Nacken, die Ende August abläuft. Doch frühestens Ende nächster Woche, heißt es, will die Monopolkommission ihr mit Spannung erwartetes Gutachten vorlegen. Sie hat alle Beteiligten befragt und wird sich ein Urteil bilden. Auch die Stellungnahmen der betroffenen Landesregierungen in NRW, Bayern und Berlin, wo Kaiser’s Tengelmann mit Filialen vertreten ist, stehen noch aus.
Am Ende könnte es Auflagen für die Partner geben
Der Zeitrahmen könnte also eng werden. Deshalb wird spekuliert, dass sich Gabriel mehr Zeit nehmen könnte. Sein Ministerium will sich dazu nicht äußern. Formal betont eine Sprecherin lediglich, dass eine Fristüberschreitung „keinen Verfahrensfehler darstellen“ würde. Im Sommer, so das Ministerium, werde zu einer öffentlichen Verhandlung eingeladen.
Am Ende kann Gabriel den Edeka/Kaiser’s Tengelmann-Deal genehmigen oder ablehnen. Es gibt aber auch noch einen dritten Weg, der in früheren Verfahren bereits beschritten wurde (siehe Infobox): Der Minister kann den potenziellen Kooperationspartnern Auflagen machen und Bedingungen formulieren, die sie zu erfüllen haben. Der Schweizer Tegut-Eigentümer Migros hat ja bereits Interesse an den 130 Tengelmann-Läden in Bayern geäußert.
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Beschwerde vor OLG möglich
Mit einem wie auch immer gearteten Kompromiss dürfte dann auch die Wahrscheinlichkeit sinken, dass die Ministerentscheidung mit einer Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf angefochten wird. Haub hat diesen Weg für sich bereits ausgeschlossen. Er will die jährlichen Verluste seiner Supermärkte in Höhe von 40 Millionen Euro, die sich nach seinen Angaben schon auf eine halbe Milliarde Euro angehäuft haben, nicht länger tragen und kündigte für den Fall einer negativen Ministerentscheidung an, Kaiser’s Tengelmann zu zerschlagen und einzelne Filialen zu verkaufen. Mindestens 8000 Stellen stehen nach seiner Einschätzung dann auf dem Spiel. Insbesondere NRW werde unter diesem Szenario leiden, sagte er jüngst.
Den langwierigen Beschwerdeweg könnte aber auch Rewe-Rivale Caparros einschlagen, sollte Gabriel Edeka den Zuschlag geben. In diesem Fall könnte die Hängepartie für Kaiser’s Tengelmann und seine 16 000 Beschäftigten über Jahre weitergehen. Bereits mit Eingang des Fusionsantrags im Oktober 2014 durfte Tengelmann-Chef Haub keine Veränderungen in seinem Unternehmen vornehmen oder gar Filialen schließen. Diese Auflage könnte im Beschwerdefall auch das OLG Düsseldorf machen. Das Ende dieses Krimis ist noch nicht absehbar.
21 Mal Ministererlaubnis beantragt
Seit 1974 wurden die jeweiligen Bundeswirtschaftsminister erst i n 21 Fällen um eine Ministererlaubnis gebeten. In sechs Fällen wurden die Anträge auf Zusammenschluss abgelehnt. Sieben Mal wurden die Anträge zurückgezogen. Fünfmal gaben die Minister ihr Einverständnis, weitere fünfmal mit Auflagen und Bedingungen.
Einer der spektakulärsten Fälle war die Ministererlaubnis für die Übernahme der Essener Ruhrgas durch den Energieriesen Eon. 2002 erging die Erlaubnis mit Auflagen. Wirtschaftsminister Werner Müller hatte die Entscheidung an seinen Staatssekretär Alfred Tacke übertragen. Müller war vor seiner Ministerzeit beim Eon-Vorläufer Veba beschäftigt.