Essen. Nach fast drei Wochen Poststreik verlieren Kunden die Geduld. Fristen verstreichen, Briefe kommen nicht. Viele wollen die Post selbst holen. Geht das?
Fast drei Wochen dauert der Poststreik jetzt schon – und die Auswirkungen sind kaum zu übersehen. 25.000 Beschäftigte streiken, vor allem in der Auslieferung. Die Deutsche Post wiederholt gebetsmühlenartig: 80 Prozent aller Sendungen kommen pünktlich an.
Aber stimmt das? Wieso warten manche seit zwei Wochen auf eine Lieferung? Wir haben die drängendsten Fragen zusammengestellt.
Die Post sagt: 80 Prozent der Lieferungen sind pünktlich. Stimmt das?
Gefühlt sicher nicht, gibt Postsprecher Dieter Pietruck (zuständig für das Ruhrgebiet) zu. Aber er beharrt darauf: Im Schnitt kommt bundesweit nur jede fünfte Sendung zu spät an. Die Post sieht sich auch zu Streikzeiten bestens gerüstet: "Wir haben ein System von Abrufkräften", erklärt Pietruck. Das sind zumeist Studenten oder Hausfrauen, die zu Stoßzeiten beim Sortieren helfen. "Im Streik arbeiten auch Führungskräfte und Verwaltungsmitarbeiter mit."
Das bringt aber nichts bei der Zustellung an die Haustür: Die Boten müssen ihren Bezirk kennen, erklärt Pietrucks Kollege Alexander Böhm (zuständig für Sauer-/Siegerland). Wenn der Bote streikt und die Post keinen Ersatz findet, dann bleibt im Zustellstützpunkt der Schrank für den Bezirk eben voll, und es stapeln sich die Kisten.
Wieso bekomme ich seit fast drei Wochen gar keine Post?
Das ist nicht ausgeschlossen, betont Postsprecher Böhm. Es komme eben darauf an, wie streikbereit die Mitarbeiter vor Ort sind und wie hoch der gewerkschaftliche Organisierungsgrad ist. Im Ruhrgebiet dürfte es traditionell etwas mehr sein. Außerdem, ergänzt Postsprecher Pietruck, sei es für die Post schwierig, auf die Streikaktionen zu reagieren: Mal werde hier zwei Stunden gestreikt, dann dort für zwei Tage.
Dann hole ich meine Post einfach selbst ab...
Wenn das mal so einfach wäre. "Die Frage habe ich schon so oft gehört", stöhnt Postsprecher Böhm, "aber das geht leider nicht." Die Post in den Zustellstützpunkten ist zwar grob nach Bezirken sortiert, damit der Postbote sie vor seiner Tour sofort mitnehmen kann. Aber bis man seinen Brief gefunden hat müsste man sich durch Hunderte Sendungen wühlen. Das geht schon aus Sicherheitsgründen nicht: "Da darf natürlich nicht jeder rein", so Böhm.
Wieso bekommt mein Nachbar Post – ich aber nicht?
Das liegt an den Grenzen der Zustell-Bezirke – und die ändern sich auch im Poststreik nicht. Es könne zwar sein, dass ein Zusteller noch ein Straße mehr dazu bekommt, so Böhm. Aber im Groben bleiben die Zuschnitte gleich. Die Post darf einen Boten nicht gegen seinen Willen zwingen, den Bezirk eines streikenden Kollegen zu übernehmen.
Was ist mit Expresssendungen?
Die sind vom Streik nicht betroffen. DHL Express hat eigenes Logistiknetz und gehört nicht zur Deutschen Post AG. Allerdings kostet die Sendung erheblich mehr.
Steigen Großkunden schon auf Alternativen um?
Amazon nutzt Alternativen, um die Auswirkungen des Poststreiks abzufedern. Amazon-Sprecher Stefan Rupp: "Wir greifen auf ein Netzwerk alternativer Transportdienstleister zurück – im Standardversand zum Beispiel Hermes, UPS oder PIN, im Premiumversand DPD oder Stadtboten."
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Das ist auch die Sorge vom Postsprecher Böhm: "Es wird wohl die Folge sein, dass viele Kunden abwandern – vielleicht für immer. Allerdings sind größere Unternehmen durch langfristige Verträge an die Post gebunden.
Zalando will nicht ausschließen, dass vereinzelt Lieferungen zu spät kommen, erklärt Sprecherin Anja Nord: "Natürlich ist ein Streik eine unvorhersehbare Situation. Ein Wechsel des Anbieters ist aber nicht geplant. In einzelnen Fällen arbeiten wir schon seit längerer Zeit mit alternativen Postdienstleistern zusammen."
Edzard Bennmann von der Dortmunder Signal Iduna beschreibt die Auswirkungen des Streiks als spürbar, aber nicht dramatisch: "Wir bekommen zwar weniger Briefe, aber verschicken wie gewohnt mit der Deutschen Post." Probleme mit Fristen gibt es nicht. Eines aber ist auffällig: Die Versicherten schicken mehr Emails. Auch bei der Allianz sieht es nicht anders aus: Mehr Faxe, mehr Mails. Dringende Sendungen gehen per Kurier raus.
Was, wenn wichtige Dokumente oder Rechnungen nicht ankommen?
Grundsätzlich gilt: Der Poststreik ist keine Ausrede für verpasste Fristen. Wenn ein Brief innerhalb einer bestimmten Zeit ankommen muss, dann sollten Verbraucher lieber um Fristverlängerung bitten oder zumindest abklären: Wann beginnt/endet die Frist – mit Poststempel oder bei Erhalt des Briefs? Oder reicht am Ende eine Email?
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Wer eine Rechnung zu spät bekommt, muss sich in der Regel nicht sorgen: Meist beginnt die Zahlungsfrist erst mit Erhalt der Rechnung. Handwerker, die sich keine wochenlange Verzögerung leisten können, sollten die Zahlungsmodalitäten lieber mit dem Kunden absprechen – die Post haftet dafür nicht.
Wer auf eine "mit Sicherheit pünktliche" Lieferung wartet, sollte in den AGB des Versandhändlers nachsehen: Die meisten sichern sich im Fall eines Streiks mit ab. Dann hat der Kunde das Nachsehen. Für Retouren gilt: Die Uhr fängt erst mit Erhalt der Lieferung an zu ticken. Kunden müssen sich also nicht hetzen. (mit dpa)