Frankfurt/Main. Die Preise im Euroraum sinken, die Konjunktur kommt nicht in Schwung - trotz der Geldschwemme der EZB. Nun legt die Notenbank nach.

- Mit einer Geldflut von mehr als einer Billion Euro will die EZB die Konjunktur im Euroraum anschieben. Sie will dazu von März 2015 bis zum September 2016 jeden Monat Staats- und Unternehmensanleihen im Gesamtwert von 60 Milliarden Euro kaufen. Das kündigte Notenbank-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt an. Der Italiener sorgte damit an der Börse für eine neuerliche Kaufwelle. Kritiker vor allem in Deutschland erneuerten ihre Befürchtung, dass auch dieser Schritt der EZB wirkungslos verpuffen könnte.

Die EZB sorgt sich vor einer gefährlichen Spirale aus Preissenkungen auf breiter Front - und einer schrumpfenden Wirtschaft. Fachleute nennen dies Deflation. Im Dezember sanken die Verbraucherpreise auf Jahressicht sogar erstmals seit 2009 - vor allem weil die Ölpreise abgestürzt sind. Die EZB muss gegensteuern, weil sie sich einem Inflationsziel von knapp unter 2,0 Prozent verpflichtet hat. Sollte dieser Wert während der Laufzeit nicht erreicht werden, könnte das Programm noch länger fortgesetzt werden, wie Draghi sagte.

Riskant und überflüssig

Heftig umstritten ist das Programm auch, weil befürchtet wird, wirtschaftlich angeschlagene Länder könnten den Anreiz verlieren, mit Reformen weiterzumachen. Deutsche Wirtschaftsverbände kritisierten das Kaufprogramm als riskant und überflüssig.

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Bei Anlegern kam die Entscheidung gut an, der Dax sprang erstmals über 10 400 Punkte - und ging mit 10 435,62 Punkten auf einem historischen Schlusshoch aus dem Handel. Die US-Börsen reagierten nach einem verhaltenen Start ebenfalls positiv. Der Euro sackte dagegen mit rund 1,14 Dollar auf den tiefsten Stand seit 2003, weil Geldanlagen in Euro durch die Geldschwemme weniger lukrativ sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Davos, die EZB-Entscheidung dürfe nicht davon ablenken, "dass die eigentlichen Wachstumsimpulse durch vernünftige Rahmenbedingungen durch die Politik gesetzt werden müssen und auch gesetzt werden können." Merkel verwies auf Reformanstrengungen in Euro-Ländern wie Italien und Frankreich. "Aber wir haben auch schon viel Zeit verloren, und die Zeit drängt."

Lob vom IWF

Ausdrückliches Lob kam vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Programm werde helfen, "die Kreditkosten in der Eurozone zu senken, die Inflationserwartung zu erhöhen und das Risiko einer in die Länge gezogenen Phase niedriger Inflation zu reduzieren", betonte IWF-Chefin Christine Lagarde. Jedoch müsse die lockere Geldpolitik auch durch wirtschaftspolitische Entscheidungen unterstützt werden. Dazu gehörten Strukturreformen und die Ankurbelung der Nachfrage.

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Für ihr neuestes Anti-Krisen-Paket druckt die EZB frisches Geld und kauft damit Wertpapiere. Das Geld kommt im Idealfall über die Banken, denen die Zentralbank Anleihen abkauft, in Form von Krediten bei Unternehmen und Verbrauchern an. Dass könnte Konsum und Investitionen anschieben und so die maue Konjunktur in Schwung bringen. Denn während die deutsche Wirtschaft relativ gut in Schuss ist, sind die Wachstumsaussichten für den Euroraum nach wie vor bescheiden.

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici lobte das umstrittene EZB-Programm. "Ich glaube, dass Herr Draghi im Interesse der Eurozone insgesamt gehandelt hat", sagte er dem Handelsblatt (Freitag). So könne die EZB auch Deflationsrisiken entgegentreten: "Sie ist noch nicht da, aber es ist besser, sie zu verhindern", meinte Moscovici zu einer möglichen Abwärtsspirale in der Wirtschaft. Daneben blieben allerdings Strukturreformen in den Staaten "absolut notwendig".

Kritiker bestreiten, dass die Anleihenkäufe das gewünschte Ziel erreichen. "Der Einfluss des heute beschlossenen Programms auf die Konjunktur und die Inflation im Euroraum ist zu vernachlässigen, da die Zinsen ohnehin schon Rekordtiefs erreicht haben", sagte DZ-Bank-Experte Jan Holthusen. Vielmehr würden die Preise für Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien noch weiter steigen: "Die Gefahr, dass spekulative Übertreibungen entstehen, hat sich erhöht."

"Der Schritt ist eine Zumutung"

Auch im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gab es bis zuletzt Widerstand, unter anderen von den deutschen Vertretern in dem 25-köpfigen Gremium. Denn die EZB flutet die Märkte bereits seit Jahren mit billigem Geld.

Und auch für Sparer ist die Geldschwemme keine gute Nachricht, findet der Präsident des Verbands der Versicherungsbranche (GDV), Alexander Erdland. Das EZB-Ankaufprogramm verstärke den Druck auf festverzinsliche Wertpapiere für die private Altersvorsorge: "Das macht es uns jetzt noch schwerer, den Menschen gute Angebote für ihr Alter zu machen. Der Schritt der EZB ist eine Zumutung."

Die EZB wird nur bei 20 Prozent der Anleihenkäufe die Risiken in der Währungszone verteilen. Staatsanleihenkäufe sollen sich nach dem Anteil der Euroländer am EZB-Kapital auf die einzelnen Länder verteilen. Damit wird die EZB vor allem Papiere von Deutschland, gefolgt von Frankreich und Italien kaufen. (dpa)