Davos. Kriege, radikaler Islamismus, die Kluft zwischen Arm und Reich: An Problemen mangelt es nicht beim Weltwirtschaftsforum - nur an Lösungen.
Im Schweizer Alpenkurort Davos kommen am Mittwoch Hunderte Topmanager und Spitzenpolitiker zum diesjährigen Weltwirtschaftsforum zusammen. Eine Rekordzahl von mehr als 2500 Teilnehmern aus 140 Ländern hat sich zu den bis Samstag geplanten Beratungen angesagt. Sie wollen über wirtschaftliche und politische Krisen sowie neue globale Herausforderungen wie die digitale Revolution debattieren.
Sonne und blauer Himmel. Die Wetterprognosen sehen gut aus für die Bündner Alpen. Nur über dem Kongresszentrum in Davos hängen tiefdunkle Wolken. Unsichtbar zwar, aber allgegenwärtig in den Köpfen hunderter Topmanager und Spitzenpolitiker, die zum 45. Weltwirtschaftsforum (WEF) in die Schweiz reisen.
219 Millionen Menschen ohne Job
Die Euro-Schuldenkrise droht zurückzukehren. Die Arbeitslosigkeit wächst fast überall auf der Welt, wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) warnt. 2019 werden demnach 219 Millionen Menschen ohne Job sein, gegenüber 201 Millionen 2014. Alle Institutionen, die vor dem Davoser Gipfeltreffen der Wirtschafts- und Politikeliten Prognosen vorlegen, haben die Konjunkturerwartungen deutlich zurückgeschraubt.
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Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Prognose für das globale Wachstum um 0,3 Punkte auf 3,5 Prozent nach unten korrigiert. Die Hilfsorganisation Oxfam, deren Chefin Winnie Byanyima diesmal im Präsidium der WEF-Tagung sitzt, beklagt, dass bald nur ein Prozent der Menschheit so viel Vermögen angehäuft haben wird wie die restlichen 99 Prozent der Weltbevölkerung zusammen.
Am Wochenende dürften Eurokritiker in Griechenland an die Macht kommen
Ähnlich kritisch beurteilen Wirtschaftsorganisationen der UN die Lage. Und besonders in Europa haben viele Topmanager Hoffnungen auf einen Konjunkturaufschwung aufgegeben. Dabei stammen alle Erhebungen aus der Zeit vor dem "Franken-Schock", dessen längerfristige Folgen noch nicht absehbar sind: Am 15. Januar hob die Schweizerische Nationalbank (SNB) überraschend den Mindestkurs des Franken zum Euro auf. Sofort sackte der Kurs der Gemeinschaftswährung zu jener der Eidgenossen um 20 Prozent.
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Das sei auch "ein klares Misstrauensvotum für die Zukunft der Eurozone" gewesen, heißt es in Schweizer Bankerkreisen. Wohl vor allem mit Blick auf zwei Daten, die auch die Debatten in Davos überschatten, haben die Schweizer die Reißleine gezogen: Es wird erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am 22. Januar ihre Entscheidung über den Ankauf von Staatsanleihen bekanntgibt. Am 25. Januar dürften die Griechen Umfragen zufolge dem eurokritischen linken Parteienbündnis Syriza an der Wahlurne zur Macht verhelfen.
EZB-Chef Mario Draghi warnt vor Deflation
Der von EZB-Chef Mario Draghi mit Vehemenz angestrebte Kauf europäischer Staatsanleihen durch die Notenbanken ist umstritten. Draghi begründet das mit einer drohenden Deflation - also einer Spirale aus verfallenden Preisen für Waren und Dienstleistungen und ein damit verbundenes Schrumpfen der Wirtschaft.
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Bundesbankpräsident Jens Weidmann und das EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger sind nicht die einzigen, die Zweifel hegen. Draghis Warnungen vor einer Deflation seien "Unsinn", schrieb der Schweizer Ökonom Beat Kappler in der "NZZ am Sonntag". "Niemand verzichtet heute auf den Kauf eines Wintermantels, nur weil er nächstes Jahr ein Prozent billiger wird."
Von Merkel wird keine Kritik erwartet
Während Draghi am Donnerstag in Frankfurt am Main das Kaufprogramm für Staatsanleihen verkünden dürfte, spricht beim Weltwirtschaftsforum fast zeitgleich Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dass sie die Anleihenkäufe auf offener Bühne kritisiert, glaubt in Davos kaum jemand.
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Man verweist auf eine Unterredung der Kanzlerin mit Draghi in der vorigen Woche. Dabei könnte der EZB-Chef sich bei der mächtigsten Politikerin der Eurozone grünes Licht für einen Kompromissvorschlag geholt haben, wird in Davoser Wandelgängen vermutet: Anleihenkäufe ja, aber jeder Staat kauft nur seine eigenen - und Griechenland wird vorerst von der Maßnahme ausgeschlossen. Das würde wohl die Gefahr verringern, dass vor allem Deutschlands Steuerzahler für mögliche Verluste aufkommen müssten.
Rekord beim Sicherheitsaufwand
Während das Spannungsfeld zwischen EZB-Entscheidung und Griechenland-Wahl viele Debatten bestimmt, kommen in Davos weit mehr Probleme zur Sprache, die oft kaum weniger kompliziert sind. Allen voran die Gefahren, die vom islamischen Terrorismus für die Weltwirtschaft ausgehen.
Wie brandaktuell das Thema so kurz nach den Anschlägen in Paris ist, macht der Rekord-Sicherheitsaufwand mit Tausenden Soldaten und Polizisten sowie Kampfflugstaffeln der Schweizer und der österreichischen Luftwaffe deutlich. Sie sollen den Schutz des Eliten-Stelldicheins garantieren, an dem neben anderen auch Frankreichs Präsident François Hollande, Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sowie König Abdullah II. von Jordanien und der irakische Premier Haider al-Abadi teilnehmen, ebenso wie "Internet-Promis", unter ihnen Yahoo-Chefin Marissa Mayer und Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg. (dpa)