Berlin/Frankfurt. . Athen fordert einen neuen Schuldenschnitt – und Berlin droht indirekt mit dem Rauswurf aus dem Euro. So oder so würde Deutschland Geld verlieren.
Griechenland ist wieder in der Diskussion. Das Wort „Grexit“ kursiert – es bezeichnet ein Ausscheiden des Landes aus der Währungsunion. Ende Januar wird in Griechenland gewählt. Der Favorit und Chef der dortigen Linken, Alexis Tsipras, will den Sparkurs lockern. Die Bundesregierung warnt Athen davor, die Sparzusagen gegenüber der Europäischen Union (EU) zu brechen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema im Überblick:
Ist die bisherige Sanierung Griechenlands erfolgreich?
Die wirtschaftliche und soziale Lage sieht so aus: Nach der großen Krise 2009 ist das Land auf dem Weg der Besserung. 2014 wuchs die Wirtschaft wieder leicht, geschätzt um 0,8 Prozent. Aber die Arbeitslosigkeit beträgt rund 26 Prozent. Millionen Menschen können sich kaum das Nötigste leisten, viele sind auf Armenspeisungen angewiesen. Der Staatshaushalt weist noch immer ein Defizit von fünf Milliarden Euro auf. Griechenland ist also vorläufig weiterhin auf externe Finanzierung angewiesen. Das Geld kommt unter anderem vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Union und den Euro-Staaten, darunter Deutschland.
Kann der Staat bald wieder auf eigenen Füßen stehen?
Die gesamte, noch immer steigende Verschuldung beträgt etwa 180 Prozent der Wirtschaftsleistung (Deutschland: 78 Prozent). Diese Belastung ist sehr hoch, weil die Regierung in Athen etwa zehn Prozent ihrer Einnahmen für den Schuldendienst ausgeben muss. Das Geld fehlt für Investitionen in die Wirtschaft, die Verbesserung der Verwaltung und die Linderung der Armut. Wenn das Wirtschaftswachstum weiter zunimmt, werden die öffentlichen Finanzen nach und nach aber wieder ins Gleichgewicht kommen, schätzen IWF, EU und Europäische Zentralbank in ihrem gemeinsamen Bericht vom vergangenen Jahr.
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Warum dann die Schulden erlassen?
Wahlfavorit Tsipras fordert, dass die EU, unter anderem Deutschland, einen Teil der griechischen Staatsschulden erlassen soll. Grundsätzlich ist das nichts Besonderes. Erlasse für verschuldete Staaten, denen eine schnellere Erholung ermöglicht werden soll, gibt es immer wieder. So verzichteten die Gläubiger nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Rückzahlung deutscher Schulden. Auch im privaten Bereich ist das Instrument der Entschuldung bekannt. Damit überschuldete Bürger nicht ihr Leben lang finanziell in den Seilen hängen, existiert in Deutschland die Möglichkeit der Privatinsolvenz: Nach frühestens drei Jahren ist man schuldenfrei und kann neu starten.
Was würde Deutschland ein Schuldenschnitt kosten?
Die Bundesrepublik bürgt direkt und indirekt für etwa 50 Milliarden Euro der griechischen Staatsschulden – beispielsweise, weil die deutsche öffentliche KfW-Bankengruppe dem südeuropäischen Land Kredite gegeben hat. Werden diese teilweise erlassen, müsste die Bundesregierung unter anderem der KfW Verluste ersetzen. In welcher Höhe, würde von den jeweiligen Bedingungen eines Schuldenschnitts abhängen.
Wie wären die deutschen Banken vom „Grexit“ betroffen?
Vor drei Jahren waren die Sorgenfalten noch groß, als das erste Mal ernsthaft über ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Verbund debattiert wurde. Heute dagegen betrachten deutsche Banken die neu aufgeflammte Diskussion gelassen. In den vergangenen Jahren haben sie den Großteil ihrer griechischen Staatsanleihen verkauft. Die Deutsche Bank beziffert die Außenstände gegenüber dem griechischen Staat auf für sie sehr überschaubare 120 Millionen Euro, die Commerzbank auf 100 Millionen Euro. Zwar belaufen sich die Forderungen deutscher Banken gegenüber dem griechischen Staat auf 15 Milliarden Euro. Die entfallen nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Banken (BdB) aber fast ausschließlich auf die Staatsbank KfW. Es ist deutsches Geld aus dem ersten Hilfspaket für Griechenland, das über die KfW geflossen ist. „Es handelt sich also eigentlich um Forderungen des deutschen Staates und nicht um Bankenengagements im eigentlichen Sinne“, sagt BdB-Sprecher Thomas Schlüter.
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Was will die Bundesregierung?
Einen teuren Schuldenschnitt vermeiden. Das griechische Sanierungsprogramm soll so weitergehen, wie bisher. Die Annahme: Athen ist auf dem Weg der Besserung, in einigen Jahren braucht das Land keine europäische Unterstützung mehr, und die innere Lage wird wieder stabil. Damit die neue griechische Regierung keine Zicken macht, droht man ihr mit dem Rauswurf aus der Währungsunion. Ohne den Euro und die Unterstützung der anderen Mitglieder wäre Griechenland sofort pleite.
Kann sich Euroland den Austritt der Griechen leisten?
Heute ist die Euro-Gemeinschaft stabiler als auf dem Höhepunkt der Krise vor drei Jahren. Im Bundesfinanzministerium weist man daraufhin, dass neue Institutionen wie zum Beispiel die europäische Bankenaufsicht gegründet wurden. Die Botschaft: Europa könnte den Abschied Griechenlands notfalls verkraften. Dagegen spricht unter anderem, dass im neuen Fonds zur Bankenabwicklung für den Krisenfall bislang kaum Geld steckt. Außerdem könnte der Austritt Griechenlands die zentrifugalen Tendenzen verstärken, die Europa ohnehin aushalten muss. So droht die britische Regierung, der EU den Rücken zuzuwenden. Frankreich wird bald vielleicht unter den noch stärkeren Einfluss der fremdenfeindlichen Rechtspartei Front National geraten. Wenn Griechenland die Währungsgemeinschaft verließe, mag dies missverstanden werden als zusätzliches Zeichen für den Zerfall der europäischen Staatengemeinschaft.
Wie geht es weiter?
Vorerst ändert sich nichts. In einigen Monaten verhandelt die neue griechische Regierung über erträglichere Bedingungen für die Kredite. Vielleicht werden ein paar Erleichterungen gewährt, damit beide Seiten das Gesicht wahren können.