Rheinberg. Warnstreiks in sechs der acht deutschen Logistikzentren des Onlineversenders sollen das Weihnachtsgeschäft treffen. Doch Amazon verspricht zu liefern.

Der 15. Dezember 2013 war der Tag, an dem der US-Versandriese Amazon die meisten Bestellungen registrierte. Nicht von ungefähr startete die Gewerkschaft am 15. Dezember 2014 ei­nen dreitägigen Warnstreik an fünf der acht deutschen Logistikzentren von Amazon. Am Dienstag weitete die Gewerkschaft Verdi den Streik auf ein sechstes Versandlager aus: Mit Beginn der Frühschicht um 5 Uhr legten auch die Mitarbeiter in Koblenz die Arbeit nieder.

Damit wird erstmals an sechs der neun deutschen Amazon-Standorte gleichzeitig gestreikt. Der Heiligabend wird zum Druckmittel im Tarifstreit.

Amazon beeilte sich am Montag, um den Millionen Kunden die Garantie zu geben, dass Weihnachtsgeschenke, die bis 21. Dezember bestellt werden, pünktlich unter dem Tannenbaum landen werden. „Wir liefern zuverlässig. An den Streiks nimmt nur eine Minderheit der Mitarbeiter teil“, sagte Amazon-Sprecherin Anette Nachbar dieser Zeitung. Rund 19 000 Beschäftigte „arbeiten regulär und sehr engagiert“. Nachbar: „Mit europaweit 28 Logistikzentren in sieben Ländern stemmt Amazon auch die Spitzenbestelltage.“

Sendungen werden nach Polen umgeleitet

Verdi machte zunächst keine konkreten Angaben über die Zahl derer, die sich an dem dreitägigen Ausstand beteiligen. „Wir beobachten, dass sich mehr Kollegen beteiligen als an den Warnstreiks zuvor“, sagte Silke Zimmer von Verdi NRW dieser Zeitung.

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Welche Auswirkungen die Streiks bei Amazon wirklich haben, werden letztendlich nur die Kunden beantworten können. Etliche Sendungen leitet der Online-Versender offenbar aus Vorsicht über Polen um. Offen ist auch, wie viele potenzielle Kunden gleich zu anderen Anbietern gewechselt sind, weil Streiks bei Amazon während der Weihnachtszeit seit Oktober in der Luft liegen.

„Wir rufen nicht zum Boykott auf“

Für Wirbel sorgte ein Interview der Verdi-Sprecherin Zimmer Mon­tag früh auf WDR 2. Es wäre „bedauerlich“, wenn Weihnachtsgeschenke aufgrund des Streiks nicht pünktlich beim Empfänger einträfen, sagte sie und fügte hinzu: „Wer sicher gehen will, der hat die Chance, auf andere Online-Händler und den stationären Einzelhandel zurückzugreifen“, so die Gewerkschafterin.

Im Gespräch mit unser Redaktion stellte Zimmer dann klar: „Wir rufen nicht zum Boykott bei Amazon auf.“ Verdi wolle vielmehr für die Beschäftigten erreichen, dass sie nach Tarifverträgen bezahlt werden, wie es bei den Versendern Otto, Hermes oder Schwab üblich sei. Nach Angaben von Sprecherin Zimmer werden Amazon-Mitar­beiter weder nach dem Logistik-, noch nach dem komfortableren Einzelhandels-Tarifvertrag bezahlt. Der Online-Riese weigere sich seit Monaten, sich mit Verdi auch nur an den Verhandlungstisch zu setzen.

Kein Tarifvertrag bei Amazon

Amazon verweist dagegen auf seine Entgeltpraxis: „Wir bieten ein sehr attraktives Vergütungspaket und zahlen am oberen Ende dessen, was bei vergleichbaren Tätigkeiten bezahlt wird. Inklusive aller Nebenleistungen wie Boni, Aktien, Zuschüsse zur Altersvorsorge und Gratis-Versicherungspaket kommt ein Mitarbeiter schnell auf 2000 Euro brutto monatlich“, so Sprecherin Nachbar.

Das lässt Verdi-Frau Zimmer nur begrenzt gelten. Sie fordert die Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld, auf das auch die rund 30 Prozent befristeten Amazon-Beschäftigten Anrecht hätten. Nebenleistungen seien zudem an die Zahl der Arbeitstage geknüpft, was erkrankte Kollegen benachteilige. Zimmer: „Mitarbeiter, die aufgrund der zunehmenden Hetze und des rüden Umgangstons bei Amazon krank werden, werden so doppelt bestraft.“