Berlin. . Nach 125 Jahren ist die Rentenversicherung einmal mehr reformbedürftig. Andernfalls droht vielen Menschen eine dramatische Altersarmut. Eine Analyse.

Seit 125 Jahren gibt es in Deutschland eine Rentenversicherung, entsprechend wurde dieser Tage auch gefeiert in Berlin. Die heutige hat mit der von Bismarck freilich nicht mehr viel gemein, und auch im 21. Jahrhundert bleibt sie nur durch Reformen beständig.

Die nächste steht nach Meinung der meisten Experten wieder an: Weil sich die Hoffnungen der Politik auf den Segen der privaten Altersvorsorge nicht erfüllen wollen, wird eine neue Rentenreform unumgänglich sein. Es fehlt an Rezepten gegen Altersarmut.

So komfortabel wie früher ist die Rente schon lange nicht mehr

Unter den Insidern der Rentenversicherung hält sich eine Legende, die auch der frühere Sozialminister Walter Riester gerne vortrug. Bei der Suche nach dem „reichsten“ Rentner stieß die Deutsche Rentenversicherung auf einen über 90-jährigen Zahnarzt aus Norddeutschland. Er bekam fast 10 000 D-Mark im Monat, weil er immer freiwillig den Höchstbetrag eingezahlt und bis zum 80. Lebensjahr gearbeitet hatte. „Wir hatten nur Angst, dass er kurz vor dem Tod noch eine 20-Jährige heiratet“, erzählte Riester mal. Denn die junge Ehefrau hätte nach damaliger Regelung noch 64 Prozent des Ruhegelds als Witwenrente einstreichen können – ein Leben lang.

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So komfortabel geht es schon lange nicht mehr zu. Die Leistungen wurden stark gekürzt und sinken weiter. Die Lücke sollen die beiden anderen Säulen der Altersvorsorge schließen. Zum einen die betriebliche Altersvorsorge, zum anderen die staatlich geförderte Riester-Rente. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stellte den Reformen nun ein schlechtes Zeugnis aus. Altersarmut werde von den politisch Verantwortlichen verdrängt und verharmlost, heißt es.

Tatsächliches Versorgungsniveau bei 31 % des Nettoentgelts

Das DIW hält die offiziellen Prognosen zum Rentenniveau für geschönt. Bis 2030 sehen sie ein Absenken des Altersgeldes auf 43 Prozent des letzten Nettoentgelts vor. Tatsächlich werde die Versorgung nur bei 31 Prozent liegen, würde ein realistischer Einkommensverlauf angesetzt. 2021 werden demnach doppelt so viele Rentner arm sein wie bisher angegeben.

Denn die Hoffnungen auf die zusätzliche private Altersvorsorge haben sich nicht erfüllt. Betriebliche und private Altersvorsorge sind bei Weitem nicht so angewachsen, wie es sein sollte. Viele Geringverdiener können nicht mehr beiseite legen. Auch fehlt der Anreiz, weil die Riester-Rente auf die Grundsicherung im Alter angerechnet wird.

Umlagesystem stabiler als Anlagen

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Zudem sind viele der als Riester-Rente angebotenen Produkte zu teuer. Die staatliche Förderung wandert zum großen Teil in die Taschen der Anbieter und nicht auf das Vorsorgekonto. Diese Kritik besteht schon seit Jahren. Trotzdem wurde die Förderrente nicht grundlegend renoviert. Die Renditeversprechen der Finanzwirtschaft waren überzogen. Aus deren Kreisen wurde gern vorgerechnet, dass ein durchschnittliches Investment in Aktien 6,6 Prozent im Jahr einbringe, festverzinsliche Wertpapiere noch fast vier Prozent. Das ist lange her. Heute bringen die Anleihen fast nichts mehr. Dagegen liegt die Rendite der gesetzlichen Rente noch bei 3,2 Prozent für Männer und 3,8 Prozent für Frauen. Das Umlagesystem zeigt sich derzeit deutlich stabiler als die kapitalgedeckte Vorsorge.

Das DIW hält das Umlagesystem, bei dem die jeweils arbeitende Generation für die Renten aufkommt, für sicher, aber reformbedürftig. Sie fordern von der Politik eine neuerliche Kehrtwende. Die Rentenpolitik solle sich wieder an der Sicherung des Lebensstandard orientieren und nicht an der Höhe der Beitragssätze.