Essen. . Ansturm auf die Rente mit 63: Bis Ende Juli haben bereits 85. 000 Menschen in Deutschland die abschlagsfreie Rente mit 63 beantragt. Aus den Unternehmen mehren sich bereits die Klagen über den Verlust erfahrener Mitarbeiter, die sie auf die Schnelle nicht ersetzen könnten.
Wer 45 Beitragsjahre vorweisen kann, wozu auch Zeiten im Arbeitslosengeld I gehören, kann seit Juli mit 63 ohne die bisher üblichen Abschläge in Rente gehen. Das lassen sich die Betroffenen offenbar auch in NRW nicht zweimal sagen: Die Rentenversicherung Rheinland meldet „gut 4000 Anträge“ zum Stichtag 31. Juli, einen Monat zuvor waren es 2600. In Westfalen setzte die Antragsflut erst im Juli so richtig ein – nach 1600 Ende Juni zählten die Sachbearbeiter nun bereits 4417 – fast dreimal so viele, so die Rentenversicherung Westfalen zur WAZ. Bundesweit seien es 85.000.
Auf 45 Jahre kommen im Regelfall nur Facharbeiter, die seit der Lehre im Beruf stehen. Entsprechend gehen nun vielen Betrieben erfahrene Fachkräfte zwei Jahre früher als geplant von der Fahne. In manchen Branchen verschärft das den bereits einsetzenden Fachkräftemangel.
Rente mit 63 machte kleinen und mittelständischen Unternehmen Probleme
„Das tut uns sehr weh“, sagt Andreas Schwieg, Experte für Sozialpolitik beim Verband der Bauindustrie NRW, „einen Mangel an Nachwuchs haben wir auf dem Bau schon länger. Dass wir nun durch die vorgezogene Rente mehr erfahrene Poliere und Bauleiter verlieren als erwartet, erwischt gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen kalt.“ Baukonzernen wie Hochtief und Bilfinger, die derzeit ohnehin Stellen abbauen, dürfte die Rente mit 63 dagegen sogar zupass kommen.
Auch das Transportgewerbe klagt über den Verlust von Fachkräften. „Jeder, der früher ausscheidet, ist ein herber Verlust“, sagt Rüdiger Ostrowski vom Verband Spedition und Logistik NRW. Deshalb gingen Personalchefs schon dazu über, 63-Jährigen Lohnerhöhungen um 10 bis 15 Prozent zu bieten, damit sie weiterarbeiten statt in Rente zu gehen.
Je kleiner die Unternehmen, desto mehr schmerzt der Verlust bereits weniger Mitarbeiter. So meldet etwa die Verkehrsgesellschaft Bogestra, 30 Mitarbeiter gingen nun mit 63 in Rente, es sei aber kein Problem, sie zu ersetzen. Für die deutlich kleinere Duisburger Verkehrsgesellschaft ist der Verlust von aktuell vier und mittelfristig weiteren acht Fahrern dagegen Anlass zu sagen: „Da wir müssen gegensteuern.“