Essen. Die Verteidiger des ehemaligen Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff haben am Donnerstag vor dem Landgericht Essen Freispruch gefordert. Dem Top-Manager, dem Untreue vorgeworfen wird, droht eine Gefängnisstrafe von über drei Jahren.

Mit heftiger Kritik am Strafantrag der Staatsanwaltschaft gegen Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff leiteten seine Verteidiger am Donnerstag ihre Plädoyers ein. Sie forderten Freispruch. Rechtsanwalt Winfried Holtermüller: „Diese Hauptverhandlung hat die volle Unschuld des Mandanten erwiesen.“

Die Staatsanwälte Daniela Friese und Helmut Fuhrmann hatten sich in der vergangenen Woche dagegen von der Schuld des 61 Jahre alten Bielefelders, der offiziell in St. Tropez lebt, überzeugt gezeigt. Drei Jahre und drei Monate Gefängnis wegen Untreue in 44 Fällen forderten sie vor der XV. Strafkammer am Landgericht Essen. Sie rechneten ihm nach rund 30 Prozesstagen einen Schaden in Höhe von fast eine Million Euro vor, weil er privat veranlasste Flüge und die Kosten für eine Festschrift dem mittlerweile pleite gegangenen Konzern angelastet hatte, obwohl es dafür keinen dienstlichen Grund gegeben hätte.

Verteidiger wirft Staatsanwaltschaft Unsachlichkeit vor

Verteidiger Udo Wackernagel bezeichnete das Plädoyer der Staatsanwälte als „maßlos, gemein und polemisch“. Es sei unsachlich, die finanziellen Einbußen von 25 Karstadt-Kassierern dem Verhalten des früheren Vorstandschefs gegenüberzustellen.

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Dass Middelhoff Flüge zu privaten Verpflichtungen, etwa das Aufsichtsratsmandat für die New York Times, mit Karstadt-Terminen verknüpft und dafür Flieger seines Vermögensverwalters Josef Esch gechartert habe, sei legitim. Es habe im Interesse der Karstadt-Muttergesellschaft Arcandor gelegen, dass Middelhoff zeitlich flexibel transportiert werde. Auch Sicherheitsbedenken hätten eine Rolle gespielt. Vorrangig sah Wackernagel die vielen dienstlichen Termine als Grund für die Chartermaschinen: „Die Zeitnot war durch Arcandor verursacht.“

Auch die Hubschrauberflüge von Middelhoffs Wohnort Bielefeld zur Konzernzentrale in Essen gingen in Ordnung: „In Bielefeld hatte er in seinem Haus einen voll ausgestatteten Arbeitsplatz. Diese Flüge waren ja nur ein Wechsel von Arbeitsplatz zu Zweitarbeitsplatz.“ Er betonte, dass es für Middelhoff in Bielefeld auch kein Privatleben gegeben hätte, sondern nur einen Wechsel „Arbeiten/Schlafen“. Die damals vorherrschenden „existenziellen Probleme des Konzerns erforderten seine schnelle Anreise“.

Middelhoff "konnte nicht umhin, ohne Unterlass zu arbeiten“

Mitverteidiger Winfried Holtermüller sprach vom großen Ermessenspielraum eines Vorstandsvorsitzenden bei der Beurteilung, was dienstlich veranlasst sei. Die Staatsanwaltschaft habe dies nicht berücksichtigt: „Sie spricht das Managerermessen nicht an, sondern ersetzt es durch ihr eigenes Behörden- und Beamtenermessen“.

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Middelhoff habe angesichts der „akuten Sanierungsbedürftigkeit“ des Konzerns alle Kraft in die Umstrukturierung gesteckt: „Er konnte nicht umhin, ohne Unterlass zu arbeiten.“ Da er auch im Auto und im Flugzeug Akten bearbeitet hätte, „durfte er gar nicht Linienmaschinen nutzen, weil sonst unbefugte Dritte Einblick in die Schriftstücke genommen hätten“.

Middelhoff habe auch ohne Vorsatz gehandelt, weil er von der Übernahme privater Flüge durch den Konzern ausgehen durfte. Er hätte dabei auf mündliche Zusagen der Mehrheitsaktionärin Madeleine Schickedanz vertrauen dürfen. Auch wenn die Quelle-Erbin dies als Zeugin vor Gericht bestritten hätte, sei es ihm durch deren Vermögensverwalter und Bevollmächtigten Josef Esch versichert worden.

Die Plädoyers der Verteidigung dauern aktuell noch an, danach folgt das „letzte Wort“ des Angeklagten. Ein Urteil wird für Freitag kommender Woche erwartet.