Berlin. Sie wollen nach der Bundestagswahl im September ein schwarz-gelbes Bündnis eingehen. Doch Union und FDP kanzeln sich im Wahlkampf gegenseitig mit giftigen Provokationen ab.

Dass Parteien im Wahlkampf schlecht übereinander reden, ist normal. Dass Parteien, die nach der Wahl zusammen regieren wollen, sehr schlecht übereinander reden, ist nicht normal. Dass hochrangige Vertreter einer dieser Parteien den mit Abstand beliebtesten Politiker der anderen Partei öffentlich vom Sockel holen, ist sogar sehr unnormal.

Wenn Dirk Niebel, der Generalsekretär der FDP, Karl-Theodor zu Guttenberg, Wirtschaftsminister der CSU, einen „Bundeswahlkampfminister” schimpft, der vieles angekündigt, aber bis heute so ziemlich gar nichts erreicht habe, stellt sich also die Frage, wo die schwarz-gelben Strei- tereien, in denen seit Tagen beide Seite immer üppiger austeilen, noch enden sollen.

Provokationen helfen beiden

Wer in beiden Ecken des Ringes nachhorcht, bekommt die erwarteten Antworten: Dass sich die FDP auf Kosten der Union zu profilieren versucht und etwa mitten in der größten Finanzkrise hartnäckig Steuersenkungen verspricht, imponiere liberalen Wählern. Wenn CSU-Chef Horst Seehofer diese Steuersenkungsversprechen dann als unsoziale Märchenerzählungen abkanzelt, so die These von Parteistrategen, werde dies der sozial orientierten Unions-Klientel im Wahlvolk gefallen. Beide, so das Kalkül, profitieren.

Wie zwei Gewinner wollen einem die ewigen Möchtegern-Partner, die seit beinahe einem Dutzend Jahren nicht mehr zusammen regiert und folglich auch sehr wenig zusammen gedacht haben, allerdings überhaupt nicht vorkommen. Wo vor vier Jahren im Wahlkampf noch seitenlange Programmpapiere geschrieben wurden, um die inhaltlichen Gemeinsamkeiten zu unterstreichen, gibt es heute Verdächtigungen, Provokationen, Sticheleien, Herabwürdigungen.

Das öffentliche Schienbeintreten ereignete sich bis vor kurzem vorzugsweise zwischen FDP und der rauflustigen CSU, die bei den Gelben mal „geistige Windstille” und mal eine „Partei ohne Köpfe und Konzepte” ausmachte. Schon darüber konnte FDP-Chef Guido Westerwelle wenig lachen, schwieg aber über Wochen. Dann kam Kanzlerin Angela Merkel mit ihrer Verzichtserklärung auf einen Koalitionswahlkampf am Wochenende und erweiterte das Kombattantenfeld erheblich.

"Die schießen auf das falsche Tor"

Westerwelle reagierte mit für ihn ungewöhnlicher Jetzt-reicht's-Rhetorik („Die schießen auf das falsche Tor”) und ließ vor Journalisten so viel Dampf ab, dass ausgerechnet der Profi-Provokateur Roland Koch, CDU-Ministerpräsident in Hessen, sich veranlasst sah, kostenlose Tipps zur Mäßigung auszusprechen; in alle Richtungen. Reichen dürfte das wohl nicht.

Schwarz-Gelb, sagt einer auf Unionsseite, der lange dabei ist, sei „längst kein quasi naturgesetzliches Bündnis mehr”. Angela Merkel wisse sehr genau, dass es in einer Regierung gemeinsam mit FDP-Leuten wie Westerwelle, Hermann-Otto Solms und Rainer Brüderle auf der einen und zu Guttenberg und Ramsauer auf der anderen (CSU-)Seite niemals so sachlich-zielstrebig werden würde wie mit mit SPD-Leuten wie Frank-Walter Steinmeier oder Peer Steinbrück. Zumal die inhaltlichen Kontroversen absehbar sind.

Ob bei den Bürgerrechten (Datenschutz) oder der Verteidigung (Abschaffung der Wehrpflicht), ob bei der Gesundheitspolitik oder beim Kündigungsschutz: FDP und Union hätten in einer Koalition nicht wenige Knackpunkte zu lösen. Fazit in Unionskreisen: „Die Wunschpartner sind sich ein bisschen fremd geworden.”