Berlin. Vor der Bundestagswahl sagt FDP-Chef Guido Westerwelle der Union den Kampf an: «Jetzt ist Schluss mit lustig». Die Liberalen warnen CDU und CSU die Chance auf eine schwarz-gelbe Koaltion zu verspielen. Zudem reagiert er gereizt auf "unflätige Bemerkungen" aus Unions-Reihen.
FDP-Chef Guido Westerwelle will sich die «unflätigen, persönlichen Bemerkungen aus den Unionsreihen» nicht länger bieten lassen. Westerwelle sagte der «Bild»-Zeitung (Online) und dem Nachrichtensender N24, dass das Verhalten der Union die bürgerliche Mehrheitsfindung im Bundestagswahlkampf gefährde. «Ich habe mir monatelang fast alles bieten lassen, habe mit stoischer Ruhe auf zum Teil sehr unflätige Bemerkungen aus den Unions-Reihen gegen mich persönlich reagiert. Ich habe den Ball nicht aufgenommen und ein Foul mit einem Gegenfoul beantwortet. Ich habe das alles an mir abperlen lassen.» Jetzt sei allerdings «Schluss mit lustig».
Westerwelle betonte: «Es reicht mir wirklich. Ich möchte nicht, dass wir auf den letzten Meter eine Chance für eine bürgerliche Mehrheit in Deutschland verspielen, wie es die Union schon einmal getan hat.» Die Union müsse ihre Kampagne so umstellen, dass sie sich mit der politischen Konkurrenz und dem Linksbündnis auseinandersetzt, nicht mit dem eigenen Lager. «Die Union will offenbar die große Koalition, anders kann man die Attacken auf die FDP nicht werten.»
Die Ministerpräsidenten aus Hessen und dem Saarland, Roland Koch und Peter Müller (beide CDU), riefen beide Seiten zur Mäßigung auf. «Es wäre gut, wenn man das gegenseitige Unterstellen lassen würde», sagte Koch der Tageszeitung «Die Welt» (Dienstagausgabe). Immerhin gehe es bei der Wahl um eine «zentrale Weichenstellung für die jüngere deutsche Geschichte». Müller warnte davor, falsche Fronten zu eröffnen: «Das bürgerliche Lager darf sich nicht auseinanderdividieren lassen.» Der Gegner heiße Rot-Rot-Grün.
Schäuble verwies im Düsseldorfer «Handelsblatt» vom Montag darauf, auch die Union wolle die Bürger nach der Wahl trotz der hohen Staatsverschuldung steuerlich entlasten. Wegen der schlechten wirtschaftliche Lage könne es jedoch «erst mal nur moderate Entlastungen» geben. «Eine große Steuerreform, wie sie uns in Leipzig vorschwebte, ist derzeit nicht umzusetzen», stellte Schäuble mit Blick auf das CDU-Programm vor der Bundestagswahl 2005 klar. Er räumte zugleich ein, dass es einen Konflikt zwischen dem Ziel der Haushaltskonsolidierung und den angestrebten Steuerentlastungen gebe.
Koalition nur bei Änderung des Steuersystems
Westerwelle verteidigte demgegenüber das FDP-Steuerkonzept, das ein Drei-Stufen-Modell mit Sätzen von zehn, 25 und 35 Prozent vorsieht. «Ich unterschreibe einen Koalitionsvertrag nur, wenn darin ein faires, neues Steuersystem drin ist», sagte der FDP-Chef dem Nachrichtensender N24.
Der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union (MIT), Hans Michelbach, sagte dem Online-Dienst Handelsblatt.com am Montag: «Wenn es nicht gelingt, die Konzernhörigkeit der Liberalen zu stoppen, werden künftige Koalitionsverhandlungen in ein schwieriges Fahrwasser geraten.» Eine Koalition mit der FDP werde «auch bei ausreichenden Mehrheiten gewiss kein Selbstläufer».
"Unseriöse Steuerpolitik"
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß hielt Schäuble vor, seine Unterscheidung der Steuersenkungspläne von Union und FDP sei «künstlich». «Alles, was aus den Reihen der CDU/CSU seit Wochen an vermeintlichen Finanzierungskonzepten behauptet und formuliert wird, ist reine Augenwischerei», erklärte Poß in Berlin. «Auch die CDU/CSU gehört in der Steuerpolitik nicht zu den Seriösen. Da nutzen alle Beschwichtigungs- und Täuschungsversuche nichts.»
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sprach mit Blick auf die Unterschiede zwischen Sozialdemokraten und Schwarz-Gelb von einer «Richtungswahl» am 27. September. «Union und FDP wollen statt Kündigungsschutz Hire and Fire», sagte er vor Journalisten in Berlin. Und sie wollten bestehende Mindestlöhne wieder abschaffen. (ddp/afp)