Essen. Nach langen Jahren der Opposition bestehen für die FDP nun beste Aussichten auf eine Regierungsbeteiligung im Bund. Schwarz-Gelb ist die Wunschkoalition der Partei. Was die Liberalen in diesem Fall wollen, erläuterte der finanzpolitische Sprecher ihrer Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms.

Der FDP geht es derzeit richtig gut. Beginnt nach der Bundestagswahl das Tal der Tränen?

Hermann Otto Solms: Das sehe ich nicht. Wir stehen vor der Regierungsbeteiligung. Wir sind so geschlossen wie nie zuvor in unserer Geschichte. Wir haben gerade das 70 000. Mitglied aufgenommen – ein Höchststand – und wir sind damit die einzige Partei, die wächst.

. . .obwohl sie vielen Menschen als „neoliberal” und „marktradikal” gilt. . .

Solms: Wir wollen nicht den ungebremsten freien Wettbewerb und nicht das Recht des Stärkeren, sondern eine klare Ordnung, in der Staat und Private ihre jeweils eigenen Aufgaben haben. Der Staat setzt die Regeln, sorgt für fairen Wettbewerb, er bekämpft den Machtmissbrauch und die Monopol- und Kartellbildung. Er hat aber nicht die Aufgabe, im Wirtschaftsprozess selbst mitzuspielen – denn der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Verwaltungsbeamte sind keine Manager. Und wenn der Staat in Wirtschaftsprozesse eingreift – siehe Opel – muss er wissen: Er verzerrt den Wettbewerb.

Und die Liberalen gelten vor allem als Steuersenkungspartei. Sind Steuersenkungen angesichts der finanziellen Großwetterlage denn überhaupt machbar?

Solms: Steuersenkungen sind keine Frage der Machbarkeit, sondern der Notwendigkeit. Wenn wir einen nachhaltigen Wachstums- und Beschäftigungseffekt auslösen wollen, müssen wir diejenigen, die das zu leisten haben, so entlasten, dass sie mit in die Speichen greifen, mehr Leistung bringen, mehr konsumieren, mehr investieren. Und das sind eben die Bürger, die Steuern zahlen. Und das ist die mittelständische Wirtschaft. Wir haben ja heute Grenzabgabenbelastungen für einen Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen von 60 Prozent. Dass das nicht leistungsfördernd ist, liegt doch wohl auf der Hand.

Der Finanzminister hält Sie für einen Hasardeur und sagt, das ist nicht finanzierbar. Es geht um Steuersenkungen in Höhe von 35 Milliarden Euro.

Solms: Wenn wir dem Finanzminister folgen würden, dann würden wir in ewigen Schulden untergehen. Grundsätzlich gilt: Auf Dauer wird man nur dann stabile Staatseinnahmen haben, wenn man eine klare Wachstumsstrategie mit Beschäftigungseffekt auslöst.

Was haben wir im Fall von Schwarz-Gelb zu erwarten?

Solms: Schwarz-Gelb ist unser Wunsch. Aber es wird schwierige Koalitionsverhandlungen geben.

Schwierige Gespräche – trotz Wunschpartner?

Solms: Es wird doch so sein, dass wir von der Union erwarten, dass sie eine ganze Palette von Entscheidungen, die sie unter Schwarz-Rot getroffen hat, wieder korrigiert.

Die vor allem wären...

Solms: Beispiel Gesundheitsfonds. Die Gesundheitsreform muss einer Generalrevision unterzogen werden. Wir brauchen vernünftige Regelungen mit einer Versicherungspflicht für jeden, die einen Mindestleistungskatalog umfasst. Darüber hinausgehender Schutz muss ebenso durch private Zusatzvorsorge abgedeckt werden wie selbstverschuldete Risiken, etwa Rauchen oder gesundheitsgefährdende Sportarten.

Zweitens: Bundesagentur für Arbeit. Bei fünf Millionen Arbeitslosen hatte die Arbeitsverwaltung 90 000 Mitarbeiter. Bei heute 3,5 Millionen Arbeitslosen hat sie weit über 100 000 Mitarbeiter. So geht das nicht. Die Bundesagentur muss effizienter und kostenbewusster arbeiten und erfolgsorientierter organisiert werden. Man muss die Agentur in einzelne Aufgaben aufteilen, diese müssen von Spezialisten erledigt werden und nicht alles von der gleichen Verwaltung.

Nötig ist auch eine Reform der Finanzpolitik?

Solms: Unser Steuersystem muss stark vereinfacht werden. Die Menschen müssen verstehen, wie das Steuersystem funktioniert. Und sie müssen den Eindruck haben, dass sie vom Gesetzgeber fair behandelt werden. Das bedeutet besonders: Ausnahmen beseitigen. Ferner wollen wir die Gewerbesteuer durch ein gemeindefreundliches Finanzierungssystem ersetzen, um den oft notleidenden Kommunen eine eigene, verlässliche Einnahmequelle zu erschließen.

Was ist mit der Rentengarantie der Großen Koalition?

Solms: Die ist eine Manipulation der Rentenformel. Wir wollen bei der Rentenformel bleiben: Die Rentenentwicklung bleibt strikt an die Entwicklung der Arbeitseinkommen gekoppelt. Die so genannte Rentengarantie heißt nichts anderes, als dass die Rentner die künstliche Erhöhung in den nächsten Jahren bezahlen müssen.

Falls es für Schwarz-Gelb nicht reicht, könnten Sie auch mit Schwarz-Gelb-Grün leben?

Solms: Dann lieber Opposition, aber über Konstellationen wird jetzt nicht spekuliert.