Erfurt. Die Hoffnungen auf eine schwarz-gelbe Koalition in Thüringen sind für die FDP kurz vor der Wahl gering. Umfragen zeigen aber, dass sie in den Landtag wohl einziehen dürfte. Eine CDU-FDP-Regierung würde auch das bürgerliche Lager im Bundesrat stärken.

Mit weißem Hemd und gelber Krawatte trat FDP-Chef Guido Westerwelle auf die Bühne und warb um die Stimmen der Thüringer Wähler. «Es steht Spitz auf Knopf», rief der Vorsitzende der Liberalen mehreren Hundert Menschen zu, die sich auf dem Marktplatz Anger in der Erfurter Altstadt versammelt haben. «Wenn Sie nicht wählen, zählt jede Stimme für Rechtsextremisten oder Linksextremisten doppelt. Das kann kein gescheiter Mensch wollen.» Applaus - Westerwelle hat mit dem Thema den Nerv des Publikums getroffen.

FDP-Regierung am wahrscheinlichsten in Sachsen

Das Wochenende wird spannend für die Liberalen. Umfragen sagen der Partei voraus, aus den Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und Thüringen gestärkt hervorzugehen. In Thüringen gilt ein Einzug in den Landtag als sicher - derzeit sind dort nur CDU, SPD und Linke vertreten. Ob die FDP jedoch auch an die Regierung kommt, ist fraglich. Am wahrscheinlichsten ist dies in Sachsen. In Thüringen hingegen könnte ein schwarz-gelbes Bündnis - selbst wenn die CDU mit Ministerpräsident Dieter Althaus die stärkste Kraft bleibt - scheitern, sollten sich SPD, Linke und Grüne doch noch auf eine Koalition verständigen.

So appellierte Westerwelle an die Thüringer. Dieses «freiheitliche System von Demokratie und Rechtstaat» sei immer noch das Beste, das es je auf deutschem Boden gegeben habe, sagte er. Daher dürfe man nicht zulassen, «dass Kommunisten in unseren Parlamenten wieder etwas zu sagen haben». Er verwies auf die FDP-Kandidaten als «Bewerber aus der Mitte der Gesellschaft, mit ganz normalen Familien und Berufen». Sie seien die demokratische Alternative.

"Halb-Thüringer" Hermann Otto Solms

Neben Westerwelle warben die frühere Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt und heutige FDP-Vize Cornelia Pieper, FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms, der sich als «Halb-Thüringer» outete, und der Spitzenkandidat zur Landtagswahl, Uwe Barth, für eine schwarz-gelbe Landesregierung. Die FDP wolle ein gerechtes Steuersystem und die öffentlichen Haushalte sanieren, sagte Solms. Dies sei eine schwierige Aufgabe, aber «wir wissen, wie das geht».

Zu den bereits seit Wochen andauernden Attacken aus den Reihen der Union äußerte sich Westerwelle vor dem Erfurter Publikum mit keinem Wort. Noch am Montag hatte sich der FDP-Chef in der «Bild»-Zeitung und dem Nachrichtensender N24 verärgert über die «unflätigen, persönlichen Bemerkungen» gezeigt und betont, jetzt sei «Schluss mit lustig». In der Illustrierten «Bunte» gab er sich zwei Tage später allerdings wieder besänftigt und hob das gute Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hervor. Der FDP-Chef betonte: «Gehen Sie davon aus: Das Verhältnis zwischen Angela Merkel und mir ist so vertrauensvoll, dass wir eine sehr gute Regierung miteinander bilden könnten.» Vor dem Erfurter Publikum warb er ebenfalls für eine schwarz-gelbe Mehrheit. Und er betonte, wer keine große Koalition und keine Linksregierung wolle, müsse FDP wählen.

Mit den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und im Saarland werden auch die Karten im Bundesrat neu gemischt. Es geht am Sonntag nicht nur um die Landtage in Dresden, Erfurt und Saarbrücken, sondern auch um 15 der 69 Sitze in der Länderkammer in Berlin. Die Wahlen könnten dazu führen, dass es im Bundesrat künftig keine klaren Mehrheiten mehr gibt. Regieren in Thüringen und dem Saarland künftig SPD, Linke und Grüne, wird die nächste Bundesregierung auf Unterstützung aus anderen Koalitionen angewiesen sein - unabhängig davon, wer die Bundestagswahl gewinnt. (ddp)